In der Ukraine zogen Hunderte am 28. April durch die Hauptstadt Kiew. Der makabre Anlass war der 78. Jahrestag der Gründung der 14. Waffen-Grenadier-Division der SS (galizische Nr.1, später ukrainische Nr. 1), kurz "Waffen-SS-Division Galizien" am 28. April 1943. Dies wurde in der Ukraine selbst scharf, aber auch in Russland und vereinzelt in Deutschland kritisiert. Laut Experten und RT-Quellen in ukrainischen politischen Kreisen deute eine solche Aktion darauf hin, dass die Behörden vor den Nationalisten die Augen verschließen, da sie Angst hätten, mit ihnen in Konflikt zu geraten.
Der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow betonte, diese Nazis verbergen nicht, dass sie auch die Kämpfe im Donbass wieder aufnehmen können:
"Die Frage ist: Inwieweit kontrolliert Präsident Selenskij diese Streitkräfte der Ukraine und inwieweit ist Präsident Selenskij frei von dem Einfluss und dem Druck jener Menschen, die in der Ukraine in Kiew demonstrieren?"
Der Sprecher der Werchowna Rada, des ukrainischen Parlaments, Dmitri Rasumkow, distanzierte sich in diesem Zusammenhang von der "Nazipropaganda", die im Übrigen für die Ukraine deren "Image nicht verbessert":
"Und wir alle erinnern uns gut daran, was der Krieg der Ukraine gebracht hat. Tatsächlich gibt es keine einzige Familie, die in diesem Krieg keine Verwandten und Freunde verloren hat."
Auch die deutsche Botschafterin in Kiew Anka Feldhusen äußerte sich auf Ukrainisch zu der Prozession. Sie erinnerte an die schlimmsten Verbrechen dieser Verbände und betonte, ihrer Meinung nach dürfe sich keine ukrainische Freiwilligenorganisation mit der SS in Verbindung bringen lassen. Sie schrieb auf Twitter:
"Einheiten der Waffen-SS waren an den schlimmsten Kriegsverbrechen und dem Holocaust während des Zweiten Weltkriegs beteiligt."
Der Vorsitzende des Ausschusses für GUS-Angelegenheiten, eurasische Integration und Beziehungen zu Landsleuten der russischen Staatsduma, also des Unterhauses der Föderationsversammlung Russlands Leonid Kalaschnikow stellte unterdessen klar, dass ja die Rehabilitation der Nazis und deren Mitläufer in den baltischen Ländern bereits stattfindet. Auch in diesen Ländern finden immer noch und immer wieder Märsche von SS-Veteranen statt:
"Europa trägt wesentlichen dazu bei, wenn es die Augen verschließt. Wir hören nur Standard-Phrasen von unseren europäischen Kollegen."
Der Erste Stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für internationale Angelegenheiten des Erste Stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für internationale Angelegenheiten des Föderationsrates, also das Oberhauses der Föderationsversammlung Russlands, Wladimir Dschabarow wiederum unterstrich, dass Ereignisse wie der Marsch in Kiew das Andenken an all die Helden schänden, die gegen die Nazi-Invasoren und Kollaborateure kämpften:
"Der Marsch zeugt davon, dass die Macht in Kiew von Nazis, Bandera-Anhängern, ergriffen wird."
Der Ex-Premierminister der Ukraine, Nikolai Asarow, bezeichnete die Prozession auf seiner Twitter-Seite als "Schande und Blamage":
"Sie vergessen die Schrecken der Nazis in der Hauptstadt. Sie veranstalten einen Marsch zu Ehren der SS-Division Galizien. In der Ukraine ist die Rehabilitation von Hitlers Komplizen und der Nazi-Ideologie selbst in vollem Gange."
Während zu den Veranstaltern des Aufmarsches unter Anteilnahme auch vieler junge Menschen berüchtigte rechtsradikale Organisationen gehören – wie der "Rechte Sektor", die Partei "Swoboda", die "Union der Veteranen des Krieges im Donbass" und die "Initiative Ukrainian Military Honor" – meldeten sich andererseits auch Vertreter der ukrainischen Partei "Oppositionsplattform – Für das Leben" zu Wort. Sie beklagten, dass von der Stadt Kiew mit Hinweis auf die COVID-19-Quarantäne "auf allen Ebenen die Feiern zum Tag des Sieges blockiert" werden, aber dass sie sofort "alle Einschränkungen vergisst", wenn es um Radikale gehe:
"Die akute Empörung aller demokratischen Kräfte wird durch die feige Position der Behörden verursacht."
Mitten in der ukrainischen Hauptstadt kam es damit erstmals zu solchen fragwürdigen Ehrungen eines Jahrestages der Gründung der SS-Division Galizien. Bisher waren derartige Veranstaltungen nur regional im westukrainischen Lwow veranstaltet worden. Die Rechtsradikalen mit Flaggen verschiedener nationalistischer Organisationen riefen Parolen aus, darunter auch das Versprechen, "in Moskau zu kämpfen".
"Wir sind eine Streitmacht, die auf unserem Territorium Krieg führt. Wir sind die Kraft, die in Moskau kämpfen wird."
Die Waffen-SS-Division Galizien wurde im April 1943 im damaligen Lemberg von den deutschen Besatzern zusammengestellt. Rund 80.000 ukrainische Freiwillige folgten damals dem Aufruf, am Kampf gegen die Sowjetunion teilzunehmen. Aus diesen dann die SS-Division gebildet. Diese Gruppierung war in der Folge an systematischen Gewalttaten gegen Zivilisten beteiligt, so beispielsweise auch an der Zerstörung des polnischen Dorfes Guta Penyatskaya, wo mehr als 500 Menschen bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Durch die Urteile des Nürnberger Tribunals wurde die SS als kriminelle Organisation eingestuft.
Die SS-Division Galizien existierte noch bis zum Sommer 1944, als sie von der Roten Armee in der Nähe der ukrainischen Stadt Brody zerschlagen wurde. In den letzten Jahrzehnten wird regelmäßig versucht, einzelne SS-Einheiten zu glorifizieren und zu rehabilitieren, auch in der Ukraine. So wurde 1991 in der Nähe von Brody eine Gedenktafel enthüllt. Drei Jahre später wurde für die Nazis aus Galizien ein spezieller Militärfriedhof im Dorf Tscherwonoje im Solotschewski Rayon der Region Lwow (Lwiw/Lemberg) eingerichtet. Seit dem Putsch auf dem Maidan im Jahr 2014 finden in der Ukraine finden zu Ehren der Division jährlich Paraden statt, so nun auch erstmals in Kiew, wo der Zug von der Metro-Station Arsenalnoje sicherlich nicht zufällig bis zum Maidan führte. In einer Reihe von Städten wurden sogar die Straßen zum Gedenken an die "Helden" der SS-Division Galizien umbenannt.
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