Neue Grenzziehungen auf dem Balkan? – Ein Papier geistert durch Medien und sorgt für Aufregung

Ein zweiseitiges Papier, das weder unterschrieben ist, noch einen Empfänger im Briefkopf hat, sorgt seit Tagen für Unruhe in den ehemaligen jugoslawischen Republiken. Denn ein darin skizzierter Plan sieht neue Grenzziehungen auf dem Westbalkan vor.

Neuaufteilung des Westbalkans vor allem entlang ethnischer Kriterien – so könnte man ein Papier zusammenfassen, das seit mehreren Tagen für Aufregung in Südosteuropa sorgt. Vor allem in Bosnien-Herzegowina rief das sogenannte "Non Paper" Wirbel und hitzige Debatten hervor. Stammen soll es angeblich aus dem Büro des slowenischen Ministerpräsidenten Janez Janša.

Über das "geheime" bzw. "inoffizielle diplomatische" Dokument, wie es in den Medien unter anderem bezeichnet wurde, gab es zunächst nur Spekulationen in der Presse, bis Mitte vergangener Woche auf einem slowenischen Internetportal ein Dokument veröffentlicht wurde, das demnach dieses "Non Paper" darstellen soll. Laut der slowenischen Internetseite necenzurirano.si trägt das Schriftstück die Überschrift: "Western Balkans – a way forward" (zu Deutsch: "Westbalkan – der Weg nach vorne"). Demnach sollen damit die nach dem Zerfall Jugoslawiens immer noch "ungelösten nationalen Probleme von Serben, Albanern und Kroaten" in Angriff genommen werden.

Laut übereinstimmenden Medienberichten soll das Dokument mehreren europäischen Regierungschefs und dem EU-Ratspräsidenten Charles Michel nach Brüssel übermittelt worden sein. Michel soll – laut Medien – aber den Empfang des Papiers nicht bestätigt haben. Slowenien übernimmt am 1. Juli den EU-Ratsvorsitz. 

Das veröffentlichte Schriftstück sieht unter anderem vor, dass die vor allem von Serben bewohnte Entität Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina an Serbien angeschlossen werden soll, eine Vereinigung des Kosovo mit Albanien und einen Anschluss eines Teils Bosnien-Herzegowinas, in dem vorwiegend die kroatische Bevölkerung lebt, an Kroatien oder zumindest Gewährung eines Sonderstatus den Gebieten nach Vorbild Südtirols in Italien. Für Bosnien-Herzegowina mit seinen rund 3,3 Millionen Bürgern würde dies praktisch eine komplette Zerstückelung bedeuten.

Die Außenministerin Bosnien-Herzegowinas Bisera Turković bezeichnete das Dokument als einen Versuch, die "Büchse der Pandora zu öffnen" und den Balkan zu "destabilisieren". Das Land sei seit geraumer Zeit in den internationalen Kreisen mit einer "bösartigen Propaganda" und einem "hybriden Krieg" gegen die euro-atlantischen Interessen des Landes und seiner Bürger konfrontiert. Auch dieses Papier würde man in diesem Kontext betrachten.

Die Präsidenten von Serbien und Kroatien, Aleksandar Vučić und Zoran Milanović, betonten in den vergangenen Tagen die territoriale Integrität des Nachbarlandes. Vučić fügte hinzu, er habe noch nie so ein Dokument über Grenzverschiebungen auf dem Westbalkan gesehen. Auch der slowenische Präsident Borut Pahor führte in einem Statement an, dass er für die territoriale Integrität von Bosnien-Herzegowina, seine EU-Perspektive und eine friedliche Entwicklung stehe. Zuvor wurde vergangene Woche die slowenische Botschafterin in Sarajevo zu einem Gespräch einbestellt.

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