EU gibt Rekordsummen für Wiederaufbau aus – Spanien weiß nicht, wohin mit dem Geld

Das EU-Programm "Next Generation EU" umfasst 750 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027. Die Hälfte davon ohne große Auflagen, quasi ein nicht rückzahlbares Konjunkturprogramm – vergleichbar mit dem Marshallplan der USA nach 1945. Damals waren es 13,3 Milliarden US-Dollar.

Spaniens Premier Pedro Sánchez ist fassungslos vor Glück:

"Dieser Plan ist die größte Chance für Spanien seit dem Eintritt in die EU. Jetzt haben wir die Gelegenheit, all die Reformen und Investitionen zu tätigen, die wir schon lange hätten tätigen sollen."

Gemeint sind die 140 Milliarden Euro, die sein Land in den kommenden sechs Jahren von der EU bekommen soll.

Das ist Geld eines Wiederaufbauprogramms, das alle Rekorde bricht. Das Geld soll nicht nur kurzfristig das Wachstum anschieben, sondern die Wirtschaft nachhaltig stärken. Einzige Bedingung: Bis Ende April muss in Brüssel jedes Land einen Investitionsplan einreichen, der auch strukturelle Reformen erkennen lässt. Italien und Spanien bekommen am meisten ab, da sie von Corona und der Rezession stark getroffen wurden.

Spaniens Wirtschaft 2020 sackte um elf Prozent zusammen und bekommt 140 Milliarden, 70 davon als nicht rückzahlbare Transfers. Hinzu kommen 12,4 Milliarden Euro im Rahmen des Programms React-EU für die Bereiche Erziehung und Gesundheit. Weitere 21 Milliarden Euro fließen in den Arbeitsmarkt. Enrique Feás von der Denkfabrik Real Instituto Elcano warnt im Handelsblatt:

"Es ist eine enorme Herausforderung für die öffentliche Verwaltung, so viel Geld in so kurzer Zeit auszugeben."

Roberto Ruiz Scholtes, Strategiechef bei UBS in Spanien, fürchtet: "Die Investitionen in dem Wiederaufbauplan scheinen gut durchdacht und gehen einige der Defizite Spaniens an." Zu den größten Investitionsprojekten gehören 13,3 Milliarden Euro für nachhaltige Mobilität. In die energieeffiziente Sanierung des nachhaltigen Städtebaus sollen 6,8 Milliarden Euro sollen, 4,7 Milliarden in die Digitalisierung von Unternehmen. Scholtes sagt:

"Das Problem ist, dass der Multiplikatoreffekt dieser Investitionen stark von Strukturreformen abhängt."

Spanien hat damit ein Problem, denn bei der Arbeitsmarktreform ist sich die Koalition uneins. Renten- oder Fiskalreformen sind zwar besprochen, aber noch nicht schriftfest. Dennoch drängt die EU mit dem Geldbeutel.

Italien ist der größte Empfänger der EU. Es bekommt 191,3 Milliarden Euro aus dem Fonds, 68,9 Milliarden davon sind Zuschüsse. Auf das Programm React-EU entfallen 2021 10,7 Milliarden, wovon mehr als die Hälfte in den ärmeren Süden geht, plus 27,4 Milliarden Euro für den Arbeitsmarkt.

Italien hat noch keinen Entwurf für den Wiederaufbaufonds vorgelegt. Stattdessen stritten die Italiener um die EU-Gelder, dass Anfang des Jahres sogar die Regierungskoalition in Rom platzte. Dann übernahm der Ex-EZB-Banker Mario Draghi als Premier. Bisher ist nicht viel bekannt geworden. Dennoch will er in den nächsten Wochen valide Pläne präsentieren. Der Ausbau des italienischen 5-G-Netzes soll mit sechs Milliarden Euro bezuschusst werden. 80 Milliarden gehen in den ökologischen Wandel.

Rom erhofft dadurch einen Wirtschaftsaufschwung um die 4,2 Prozent in diesem Jahr, so eine Schätzung der Banca d’Italia. Dabei ist jedem das eigentliche Problem im Land bekannt: die ineffiziente öffentliche Verwaltung. Draghi will sie modernisieren, ausgerechnet mit neuen Stellen.

Trotzdem hat Italien nicht einmal die Hälfte der Gelder ausgegeben, die dem Land aus den Europäischen Strukturfonds der Jahre 2014 bis 2020 zustanden. 

EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn ist zuversichtlich, dass alle Mitgliedsstaaten ihre Zustimmung geben werden. Denn: Einen Plan B gebe es nicht. Er sagt:

"Das Geld wird in den Mitgliedsstaaten dringend gebraucht."

Noch fehlt die Zustimmung von Deutschland, Polen und Österreich. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht die Zustimmung nach einer Klage von Kritikern vorläufig gestoppt. 

Die Kommission will sich bis 2026 jährlich rund 150 Milliarden Euro am Kapitalmarkt leihen. Wie die Bonds verzinst werden, bleibt unklar. Die Laufzeiten der EU-Anleihen, die über Privatbanken vertrieben werden, sollen zwischen zwei und drei Jahrzehnten liegen. Das ambitionierte Ziel: sämtliche Schulden bis 2058 zurückzuzahlen.

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