Die Türkei hat ein Millionengeschäft mit dem italienischen Rüstungskonzern Leonardo auf Eis gelegt. Wie die Zeitung La Repubblica am Sonntag schreibt, hätte der Vertrag über die Lieferung von Hubschraubern des Typs AW169 an die türkische Luftwaffe in den kommenden Tagen unterzeichnet werden sollen. Der Wert des Vertrages wird auf 70 Millionen Euro geschätzt. Die neuen Helikopter hätten die alten Maschinen des Typs Agusta-Bell 206 ersetzen sollen.
Die vorübergehende Aussetzung des Vertrags kam nach einer Äußerung des italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi am Donnerstag, in der er den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan als "Diktator" bezeichnet hatte. Die Türkei bestellte daraufhin aus Protest den italienischen Botschafter ein. Ankara forderte, die Äußerung "sofort" zurückzunehmen.
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Hintergrund der Äußerung war eine öffentliche Debatte um die Sitzordnung beim Besuch vom Präsidenten des EU-Rates Charles Michel in Begleitung der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim türkischen Präsidenten am Dienstag in Ankara. Für Michel war ein Sessel neben Erdoğan reserviert. Von der Leyen bekam hingegen einen etwas ferneren Platz auf einem Sofa zugewiesen. In diplomatischen Kreisen der EU wird dies als Affront betrachtet, auch die EU-Kommission zeigte sich später empört. Von der Leyen hätte auf Augenhöhe mit dem türkischen Präsidenten platziert werden müssen, so ein Sprecher der Kommission. Manche Medien sprechen nun sogar in Anlehnung an den US-Watergate-Skandal von einem "Sofagate".
Nach Angaben von La Repubblica erhielten außer der Hubschrauber-Firma Leonardo drei weitere italienische Unternehmen ein deutliches Warnsignal aus der Türkei. Unter ihnen ist auch der Energietechnik-Hersteller Ansaldo Energia, eine frühere Tochtergesellschaft des Rüstungskonzerns Leonardo. Vor dem Ausbruch der Corona-Krise belief sich der Warenumsatz zwischen Italien und der Türkei auf 17 Milliarden Euro. In der Türkei sind fast 1.500 italienische Firmen tätig.
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