In der schweizerischen Stadt St. Gallen verhinderte die Polizei eine weitere Protestaktion von Jugendlichen. Nach den gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizeikräften am 26. März und 2. April reagierten die Behörden empfindlich auf einen weiteren Aufruf zu Protestaktionen für den 4. April. Mit einem Großaufgebot hinderte die Polizei am Hauptbahnhof St. Gallen mögliche Protestteilnehmer an der Einreise. Nach Medienberichten wurden zwischen 18 und 1 Uhr etwa 500 Personen abgewiesen. 60 Personen wurden polizeilich erfasst und Material beschlagnahmt, das laut Polizei mutmaßlich zu Eskalationszwecken mitgeführt wurde – Pyromaterial, Spiritus, Messer.
Auf Twitter erläuterte die Stadtpolizei St. Gallen ihr Vorgehen. Demnach mussten Personen, die nach St. Gallen einreisen wollten, "glaubhaft erläutern, dass sie nicht den Gewaltaufrufen folgen oder nur in die Stadt kommen, um mögliche Ausschreitungen mitzuerleben".
Laut einem Bericht des St. Galler Tagblatts äußerte der Stadtrat von St. Gallen zwar Bedenken, dass die Wegweisungen Fragen aufwerfen würden. Die Maßnahmen wurden aber als "verhältnismäßig erachtet", um erneute "massive Ausschreitungen" zu verhindern. In einer Bilanzierung erachtete die Stadtpolizei St. Gallen den Einsatz als Erfolg, mit dem es gelang, "die Dynamik um Gewaltaufrufe für die Stadt St. Gallen vorerst zu stoppen". Und dank der Wegweisung "waren über den ganzen Abend gezielte Personenkontrollen und daraus resultierende Einbringungen erst möglich".
Am Montagmorgen äußerte sich St. Gallens Stadtpräsidentin Maria Pappa über Twitter zu den Kontrollen des Vorabends:
Mit Gummischrot auf Jugendliche schießen, statt ihnen zuzuhören?
Am 4. April war es in St. Gallen zu schweren Ausschreitungen zwischen jugendlichen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Jugendlichen warfen Böller und Flaschen, die Polizei schoss mit Gummischrot und setzte Tränengas sein. Nach Angaben der Polizei hätten einzelne Demonstranten auch Molotowcocktails geworfen, die Polizisten hätten daher in "Notwehr" geschossen.
Entsetzt äußerte sich der schweizerische Jugendpsychologe Felix Hof in dem Nachrichtenmagazin 20 Minuten über das Vorgehen der Polizei, die statt den Dialog mit den Jugendlichen zu suchen, Gummigeschosse einsetzte. Die jugendlichen Demonstranten hätten eindeutig aufgezeigt, dass ihre Bedürfnisse nicht länger aufgeschoben werden können. Die Aktionen der Jugendlichen wertet er als ein "Druck ablassen" und deutliches Signal: "Wir können nicht mehr!". Hof argumentierte:
"Wenn ein Teenager Flaschen auf die Polizei wirft, dann möchte er Autoritäten herausfordern und sich selber behaupten."
Möglicherweise hätten sich auch "gewaltbereite Trittbrettfahrer unter die sonst friedlichen Jugendlichen gemischt". In jedem Fall zeige sich "durch alle sozialen Schichten großer Unmut und Verunsicherung" nicht nur über die schweizerische Corona-Politik. Aufgabe der Behörden wäre es in der Situation, das Gespräch zu suchen. Hof betonte nachdrücklich, es könne nicht sein, dass man mit Gummischrot gegen die zukünftige Generation vorgehe, anstatt ihnen zuzuhören.
"Ich wünsche mir vom Bundesrat, dass er vor Ort nach St. Gallen geht oder wenigstens eine Delegation von Jugendvertretern empfängt und Maßnahmen gegen die Unzufriedenheit trifft."
Der Jugendpsychologe erneuerte seine Forderung, die er schon nach dem 26. März hervorgebracht hatte, Jugendvertreter müssten einen festen Platz in der schweizerischen Corona-Task-Force erhalten und als ernstzunehmende Gesprächspartner behandelt werden. Damit sollen die Jugendlichen aber nicht ruhig gestellt werden, sondern an politischen Entscheidungen teilhaben. Überhaupt sei die schweizerische Corona-Politik zu unübersichtlich und diffus gewesen. Hof fordert "eine klare Kommunikation zu Maßnahmen und Lockerungen".
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