Gut zwei Wochen nach der gewonnenen Parlamentswahl hat der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte die größte Krise seiner Laufbahn überstanden. Dennoch ist der 54-Jährige wegen einer Reihe von Unwahrheiten politisch schwer angeschlagen. Nach einer langen und turbulenten Debatte verfehlte in der Nacht zum Freitag ein Misstrauensantrag der Opposition nur knapp eine Mehrheit. Rutte kündigte an, er wolle im Amt bleiben und erneut eine Koalition bilden. Doch es ist zweifelhaft, ob es ihm gelingen wird, Koalitionspartner zu finden und nach mehr als zehn Jahren auch zum vierten Mal Regierungschef zu werden.
Eine Reihe von Unwahrheiten und Verschleierungen während der ersten Gespräche über die Bildung einer neuen Koalition hatten zu der beispiellosen Krise geführt. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass Rutte versucht hatte, den kritischen christdemokratischen Abgeordneten Pieter Omtzigt, aus dem Parlament abzuschieben. Rutte bat das Parlament und den 47-Jährigen dafür um Verzeihung.
Omtzigt ist ein äußerst populärer Politiker, der sich hartnäckig für die Aufklärung von Missständen einsetzt. Er hatte zuletzt gemeinsam mit anderen eine Affäre um Kinderbeihilfen ans Licht gebracht. Zehntausende von Eltern waren fälschlicherweise von den Steuerbehörden als Betrüger dargestellt worden und mussten Zehntausende Euro bezahlen. Die Affäre führte zum Rücktritt der Regierung Rutte im Januar. Rutte ist seitdem nur noch geschäftsführend im Amt.
In einer mehr als 13 Stunden langen Parlamentsdebatte benutzten Abgeordnete fast aller Parteien Schlagworte gegen Rutte wie:
"Lügner" – "Sonnenkönig" – "Machtmissbrauch"
Am Ende unterstützten ihn seine bisherigen Koalitionspartner dennoch – wohl angesichts der Corona-Krise. Rutte ist aber nach Ansicht von Beobachtern schwer angeschlagen. Eine große Mehrheit der Parteien sprach ihm tiefste Missbilligung für sein Verhalten aus. "Am Ende war es eine Lüge zu viel", urteilte die Zeitung De Telegraaf am Freitag.
Fraglich ist, ob es dem Ministerpräsidenten nun gelingen wird, eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Denn auch seine bisherigen Partner distanzierten sich deutlich von ihm. Die linksliberale D66 und die christdemokratische CDA erklärten, eine neue Koalition unter Rutte sei "keine Selbstverständlichkeit". Sie wollen die Osterpause nutzen, um über die künftige Zusammenarbeit nachzudenken. Der Oppositionspolitiker Geert Wilders, der die Vertrauensfrage gestellt hatte, sprach vom "Ende der Ära Rutte".
Mark Rutte versprach noch in der Nacht, alles zu tun, um das Vertrauen zurückzugewinnen. Das Votum des Parlaments sei ein "ernsthaftes Signal":
"Wo Vertrauen verletzt wurde, werde ich hart daran arbeiten, um das wiederherzustellen."
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(rt/dpa)