Die Landespolizeidirektion Wien hat die für den 30. und 31. Januar von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) angemeldeten Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung untersagt. Zur Begründung holte die Polizeidirektion eine Stellungnahme des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien und ein Aktenvermerk des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismus (LVK) ein. Darin machte die Behörde auf die gestiegene Gefahr durch die britische Mutation aufmerksam. Als Beleg führte sie die aktuellen Berichte der Corona-Kommission mit dem Fazit an, die Abhaltung würde eine Gefährdung im Hinblick auf das öffentliche Wohl darstellen.
Aus Protest legte die FPÖ Beschwerde gegen Untersagungen einer Protestkundgebung am 31. Januar beim Verwaltungsgericht Wien ein – und bekam Recht. Das Gericht hat dieser Beschwerde bereits letzte Woche stattgegeben, das entsprechende Dokument liegt nun mehreren österreichischen Medien vor.
Das Wiener Verwaltungsgericht merkt in der Begründung für die Entscheidung nun an, dass sowohl die Stellungnahme des LVK als auch die Information des Gesundheitsdienstes ganz allgemein ergangen seien und würden also "in keiner Weise" die konkrete Versammlung der FPÖ berücksichtigen.
Es mangle dem Bescheid aber auch aus anderen Gründen an einer haltbaren Begründung für eine Untersagung. Laut Der Standard "zerpflückt" der Richter die Stellungnahme des Wiener Gesundheitsdienstes "förmlich".
So wird einerseits kritisiert, dass medizinische Begriffe wie "Fallzahlen, Testergebnisse, Fallgeschehen" sowie "Anzahl an Infektionen" in der Stellungnahme durcheinandergeworfen würden. Das werde einer wissenschaftlichen Beurteilung der Seuchenlage nicht gerecht.
Auch mit dem Verweis auf die Corona-Kommission ist das Gericht nicht zufrieden. Der Richter begründet: "Es ist mangels Angaben nicht nachvollziehbar, ob die dieser Empfehlung zugrunde liegenden Zahlen nur jene Personen enthalten, die nach den Richtlinien der WHO zur Interpretation von PCR-Tests vom 20.01.2021 untersucht wurden. Konkret ist nicht ausgewiesen, welchen CT-Wert ein Testergebnis hatte, ob ein Getesteter ohne Symptome erneut getestet und anschließend klinisch untersucht wurde." PCR-Tests würden laut WHO "nichts zur Krankheit oder einer Infektion eines Menschen" aussagen.
Der Richter geht sogar noch weiter und merkt an, dass auch die drei am 23. Dezember vom Gesundheitsminister Rudolf Anschober festgelegten Kriterien für einen "bestätigten Corona-Fall" unzureichend seien. Keine dieser drei Kriterien würde die Erfordernisse des Begriffes "Kranker/Infizierter" der WHO erfüllen. Nebenbei bemerkt der Richter auch noch, dass Antigen-Tests "bei fehlender Symptomatik hochfehlerhaft sind." Das Gericht stellt auch mit Verweis auf das Ärztegesetz fest, dass nur ein Arzt dazu berechtigt ist, festzustellen, ob eine Person krank oder gesund ist.
Die Stellungnahme des Gesundheitsdienstes könne, so das Fazit, "keine validen und evidenzbasierten Aussagen und Feststellungen" bieten.
Zur rechtlichen Beurteilung "einer nicht verwertbaren Information zur Seuchenlage" sowie der Einschätzung des LVT sei ergänzend auszuführen, dass bloße allgemeine Befürchtungen nicht ausreichen für eine Untersagung einer Versammlung.
FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak kommentierte das Urteil bei einer Pressekonferenz und nannte die für die Corona-Politik zugrundegelegten Definitionen "Fallkaskade". Ihm zufolge seien sie "völlig unzureichend" und entsprächen nicht internationalen Standards. "Sie haben aber für die Betroffenen ganz schwerwiegende Konsequenzen. Das führt dazu, dass die vielen Menschen ohne ärztliche Diagnose erhebliche Einschränkungen in ihrem sozialen und beruflichen Leben hinnehmen müssten". Das Urteil sei deshalb "bahnbrechend".
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sieht in dem Urteil auch eine "höchst erfreuliche Neuigkeit". Nach "diesem klaren Spruch" stehe fest, "dass künftig Versammlungen und Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen nicht mehr untersagt werden können".
Als Basis für den medizinischen Teil der Urteilsbegründung zog das Gericht laut Medien folgende Grundlagen heran: WHO-Richtlinien für PCR-Tests vom 20. Januar 2021, eine Studie aus der Fachzeitschrift Clinical Infectious Diseases sowie die Aussagen des Erfinders des PCR-Tests Dr. Cary Mullis.
Laut dem Verwaltungsrechtsprofessor Peter Bußjäger sind diese Grundlagen allerdings unzureichend. "Wenn ich diese Dinge hinterfrage, was ich als Gericht natürlich darf, brauche ich einen Sachverständigen. Das selber zu machen, halte ich durchaus für kühn", sagte er gegenüber Der Standard. Es sei aber nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht ein Gutachten dazu eingeholt hätte.
Klar sei aber auch, dass die Entscheidung des Gerichtes ein Erfolg für die FPÖ sei. "Sollte die Entscheidung nicht angefochten werden, dann hat das schon Konsequenzen", sagt Bußjäger. "Denn dann ist diese Rechtsmeinung da – jeder Veranstalter wird sich auf diese Erkenntnis berufen."
Mehr zum Thema - Österreich will Einführung des grünen Impfpasses in der EU beschleunigen