Mit massiver Werbung um deutsche Investitionen ist am Freitag das 4. Deutsch-Ukrainische Wirtschaftsforum in Berlin eröffnet worden, teilt das Redaktionsnetzwerk Deutschland mit. Denis Schmygal, Premierminister der Ukraine, hob hervor, dass Deutschland bereits zu den fünf wichtigsten Investoren in seinem Land gehört und der wichtigste Handelspartner ist.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zu dem Forum per Video zugeschaltet worden war, bilanzierte, dass schon 2.000 deutsche Unternehmen in der Ukraine präsent sind und dort 35.000 Mitarbeiter beschäftigten, beispielsweise in der Autozulieferindustrie. Sie bezifferte das Handelsvolumen zwischen Deutschland und der Ukraine im vergangenen Jahr auf 7,7 Milliarden Euro, brachte jedoch zum Ausdruck, dass hier noch mehr möglich sei, und rief deutsche Firmen zu Investitionen in der Ukraine auf.
Der per Video aus Kiew zugeschaltete Präsident Wladimir Selenskij versicherte, dass sein Land weiter den Weg tiefgreifender Reformen gehen werde, um für Investoren interessant zu sein und Unternehmen Rechtssicherheit zu bieten. Das Ziel bleibe die Mitgliedschaft in der EU.
Er dankte der Bundesregierung "ausdrücklichst" für ihr Engagement im Konflikt um den ostukrainischen Donbass, wo laut Selenskij Russland "militärisch Separatisten in okkupierten Territorien unterstützt". Die Ukraine wolle vor allem in den Bereichen IT, Digitalisierung, Energie, Logistik sowie Luft- und Raumfahrt mit deutschen Firmen kooperieren.
Bundeskanzlerin Merkel will auch eine Energiepartnerschaft zwischen Deutschland und der Ukraine erweitern. Bei erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz und dem Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft wollen Deutschland und die Ukraine noch enger zusammenarbeiten, sagte Merkel.
Merkel verwies auch auf die Bedeutung der Ukraine als Gastransitland. Deutschland hatte sich im Zusammenhang mit dem Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 dafür eingesetzt, dass die Ukraine weiter eine wichtige Rolle beim Gastransit spielt.
Neben der 2020 beschlossenen deutsch-ukrainischen Energiepartnerschaft vereinbarte Premier Schmygal am Donnerstag in Düsseldorf eine deutsch-ukrainische Digitalpartnerschaft. Die Ukraine habe zahlreiche IT-Unternehmen, die inzwischen bereits Weltkonzernen digital zuarbeiten und IT-Lösungen programmieren, schreibt das Handelsblatt.
Das Handelsblatt, das der Ukraine in diesen Tagen mehrere Artikel widmete, zitiert mehrere deutsche Experten. Sie sehen im Land enormes Potenzial: "Ich bin guter Dinge, dass die Ukraine gut aus dieser Krise herauskommt", sagte Philip Sweens, Sprecher des Ukraine-Arbeitskreises des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. Das Engagement deutscher Firmen in der Ukraine lasse "keinen Zweifel, dass uns die deutsch-ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen am Herzen liegen", betonte Eric Schweitzer, Chef des Entsorgers Alba und Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages.
Die deutsch-ukrainische wirtschaftliche Zusammenarbeit hat laut der Zeitung im Wesentlichen mit Russland und dem Schicksal des Projektes Nord Stream 2 zu tun.
"Die Bundeskanzlerin sagt weiteres deutsches Engagement in der Ukraine zu – auch, um Russland weiter die Stirn zu bieten", heißt es im Artikel "Merkel ruft deutsche Firmen zu Investitionen in der Ukraine auf".
"Erstens gilt der wirtschaftliche Erfolg des Landes im Kanzleramt als extrem wichtig, um in der Konfrontation mit Russland bestehen zu können. Russland hat 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektiert und unterstützt seither militärisch Separatisten im ostukrainischen Donbass. Russische Staatsmedien stellen das Nachbarland als politisch und ökonomisch gescheiterten Staat dar", heißt es in einem weiteren Artikel unter Verweis auf Regierungskreise.
Dann geht die Wirtschaftszeitung auf die Chancen für Deutschland und die EU im Zusammenhang mit den Klimazielen ein. "Zweitens soll die Ukraine der Europäischen Union helfen, das ambitionierte Ziel zu erfüllen, bis 2050 klimaneutral zu sein. Der größte Flächenstaat Europas soll beim 'Green Deal' der EU eine zentrale Rolle spielen und mittelfristig 7,5 Gigawatt grünen Wasserstoff in die EU liefern."
Drittens sei das wirtschaftliche Schicksal der Ukraine eng mit dem der "umstrittenen" russischen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 und "Versprechungen" an die USA verbunden:
"Um das Projekt fertigstellen zu können ohne weitere US-Sanktionen dagegen, bietet die Bundesregierung der neuen US-Regierung unter Joe Biden eine stärkere Unterstützung der Ukraine an. Das verlautete aus Berliner Regierungskreisen", so das Handelsblatt.
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