Die EU hat ein Beschlussverfahren für die geplanten Sanktionen eingeleitet. Die Strafmaßnahmen gegen russische Verantwortliche treten damit höchstwahrscheinlich an diesem Dienstag in Kraft. Das bestätigten Diplomaten der Nachrichtenagentur dpa. Auch die USA verhängen im Fall des inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny Sanktionen gegen Russland. Das teilten Vertreter der US-Regierung am Dienstag in Washington mit.
Da es zuletzt Konsens für das Vorgehen gegeben habe, sei das am Montagvormittag eingeleitete schriftliche Verfahren nur noch eine Formalie, hieß es. Die EU hatte im Fall Nawalny schon zuvor Sanktionen gegen Russland erlassen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte erklärt, dass es „eine klare Verbindung“ zu Nawalnys Festnahme und Verurteilung geben müsse. Sonst könnten die Sanktionen vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden. Die EU hatte bereits sechs Russen auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Unter ihnen waren Freunde von Staatschef Putin, der stellvertretende Leiter der Präsidialverwaltung, Sergej Kirijenko, und der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow.
Als mögliche Betroffene der neuen Sanktionen gelten der russische Generalstaatsanwalt Igor Krasnow und der Chef des zentralen Ermittlungskomitees Alexander Bastrykin. Zudem werden auch der Chef des Strafvollzugsdienstes, Alexander Kalaschnikow, sowie der Befehlshaber der Nationalgarde, Viktor Solotow, genannt. Der russische Vize-Außenminister Alexander Gruschko sagte, die neuen Strafmaßnahmen kämen nicht überraschend. Gruschko:
"Es wird eine Reaktion von unserer Seite geben. Die EU geht weiter einen unrechtmäßigen Weg, das ist eine absolute Sackgasse."
Russland reagierte bisher auf Sanktionen der EU mit Einreisesperren gegen leitende Beamte. Zur Verhängung der EU-Strafmaßnahmen soll erstmals ein neues, im vergangenen Jahr in Brüssel geschaffenes Sanktionsinstrument genutzt werden. Dieses ermöglicht es, in der EU vorhandene Vermögenswerte von Akteuren einzufrieren, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen oder davon profitieren. Zudem würden unter anderem EU-Einreiseverbote verhängt.
Nawalny soll mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 wegen Betrugs und Veruntreuung von Geldern verstoßen haben. Die EU hält das Urteil für unzulässig, weil Nawalny sich nach einem angeblichen Anschlag auf ihn mehrere Monate in Deutschland behandeln lassen musste.
Die 2014 von der Europäischen Union beschlossenen Wirtschaftssanktionen zielen auf den russischen Finanzsektor, den Energiebereich und die Verteidigungs- bzw. Rüstungsindustrie. Die EU hatte diese Strafmaßnahmen nach dem Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ukraine im Juli 2014 verhängt und alle sechs Monate verlängert. Zuletzt hatten die EU-Staaten im Dezember Einigkeit über die Verlängerung erzielt, die Maßnahmen laufen somit zumindest bis 31. Juli 2021 weiter. Wirtschaftsstrafmaßnahmen, Kontosperren und Einreiseverbote folgten. Von den Finanzsanktionen betroffen sind eine Reihe staatlicher russischer Banken, so etwa die Sberbank, die VTB Bank, die Gazprombank, die Vnesheconombank (VEB), die Rosselkhozbank, aber auch der Energieriese Rosneft, der Pipelinebetreiber Transneft und die Gazprom-Öltochter Gazprom Neft. Außerdem umfassen die EU-Wirtschaftssanktionen den sogenannten Dual-Use-Bereich, also Waffen und andere Güter, die sowohl militärisch als auch zivil nutzbar sind.
Bei den Rüstungsunternehmen sind folgende Firmen betroffen, an sie dürfen keine zivil-militärischen Produkte aus der EU mehr geliefert werden: JSC Sirius (Optoelektronik für zivile und militärische Zwecke), OJSC Stankoinstrument (Maschinenbau für zivile und militärische Zwecke), OAO JSC Chemcomposite (Materialien für zivile und militärische Zwecke), JSC Kalashnikov (Kleinwaffen), JSC Tula Arms Plant (Waffensysteme), NPK Technologii Maschinostrojenija (Munition), OAO Wysokototschnye Kompleksi (Flugabwehr- und Panzerabwehrsysteme), OAO Almaz Antey (staatseigenes Unternehmen; Waffen, Munition, Forschung), OAO NPO Bazalt (staatseigenes Unternehmen, Herstellung von Maschinen zur Herstellung von Waffen und Munition). Darüber hinaus hat die EU gegen 177 russische Personen bzw. pro-russische Separatisten und 48 russische Organisationen weitere Strafmaßnahmen verhängt: So Vermögenswerte wurde eingefroren und Reisebeschränkungen erlassen. Die Personen, die nach Einschätzung der EU für die Untergrabung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine verantwortlich sind, dürfen in die EU nicht einreisen.
Ein weiterer Bereich der EU-Sanktionen betrifft die Krim. Hier gilt seitens der EU ein generelles Einfuhrverbot für Waren aus der Krim und ein Ausfuhrverbot für bestimmte Güter und Technologien. Unternehmen aus der EU dürfen auf der Krim auch keine Tourismusdienstleistungen erbringen - europäische Kreuzfahrtschiffe dürfen keine Häfen der Krim anlaufen.
Seit dem Vorfall auf der Krim-Reaktionen ist Russland nicht mehr zu den G8-Gipfeltreffen der wichtigsten Industrienationen eingeladen. Die EU hat außerdem 2014 ihre regelmäßigen EU-Russland-Gipfeltreffen ausgesetzt. Außerdem erhält Russland keine Kredite mehr über die EU-Hausbank, die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).
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