Die britische Regierung will bis zum 21. Juni alle Corona-Einschränkungen in Großbritannien aufheben und den Lockdown beenden. Premierminister Boris Johnson sprach am Montagabend in London von "einer Einbahnstraße in die Freiheit". Er stellte einen Vier-Stufen-Plan vor, mit dem jeweils in Abstand von fünf Wochen die Einschränkungen zurückgenommen werden sollen. Voraussetzung dafür sei aber, dass sich die Infektionszahlen unter Kontrolle halten ließen, die Impfkampagne wie bisher weitergehe und keine neue Virusvariante die Lage verändere.
Ausschlaggebend für die möglichen Lockerungen ist laut Johnson die erfolgreiche Impfkampagne. Er betonte: "Mit jedem Tag, der vergeht, schafft dieses Impfprogramm einen Schutzschild um die Bevölkerung." Bis Ende Juli sollen alle erwachsenen britischen Bürger ein Angebot zur Impfung erhalten. Die britischen Gesundheitsbehörden veröffentlichten ebenfalls am Montag Daten, nach denen der Impfstoff der Unternehmen Biontech und Pfizer nicht nur Erkrankungen, sondern auch die Ansteckung mit SARS-CoV-2 verhindern könne. Nach vorläufigen Daten schütze die Impfung auch gegen die britische Virusvariante B.1.1.7.
Johnson machte deutlich, man werde den Weg aus dem Lockdown vorsichtig, aber unwiderruflich gehen. Er äußerte nach Angaben des britischen Nachrichtenportals The Guardian:
"Das Ende ist wirklich in Sicht. Ein schlimmes Jahr wird den Weg freigeben für einen Frühling und Sommer, die sehr verschieden und unvergleichlich besser sein werden als das Bild, das wir heute um uns herum sehen."
Der Vier-Stufen-Plan soll am 8. März starten und in vier Schritten – 29. März, 12. April, 17. Mai – bis zum Sommerbeginn am 21. Juni den Lockdown komplett zurücknehmen. Der jeweilige Abstand von fünf Wochen soll dazu dienen, die Situation genau zu analysieren und den nächsten Lockerungsschritt fest zu terminieren. Johnson betonte, dass die nun genannten Zeitpunkte nicht verbindlich seien, sondern die jeweiligen Daten der Corona-Pandemie.
Im Detail sieht der Öffnungsplan nach einem Bericht des britischen Nachrichtenportals The Guardian folgende Schritte vor:
Stufe 1, Teil 1 – ab 8. März
Die "Stay at home"-Order ("Bleibt-Zuhause-Regel") bleibt vorerst in Kraft. Erlaubt werden Treffen von jeweils einer haushaltsfremden Person unter freiem Himmel im öffentlichen Raum – Kinder zählen nicht mit. Alle Schulen werden wieder geöffnet, ebenfalls die Ganztagsbetreuung. Ab den Sekundärschulen bleibt die Maskenpflicht obligatorisch. Pflegeheimbewohner dürfen eine feste Person eintragen lassen, die sie besuchen kommt.
Stufe 1, Teil 2 – ab 29. März
Die "Stay at home"-Order wird aufgehoben, die Menschen werden aber dazu angehalten, "lokal" zu bleiben. Erlaubt sind nun Treffen von bis zu sechs Personen bzw. aus zwei Haushalten, falls diese mehr Personen umfassen, unter freiem Himmel und auch im privaten Raum (z. B. Gärten). Sport im Außenbereich wird erlaubt – inklusive die Öffnung von Freibädern. Die Aufforderung, im Homeoffice zu arbeiten, bleibt vorerst bestehen.
Stufe 2 – frühestens ab 12. April
Der "nicht essenzielle" Einzelhandel darf wieder öffnen, ebenso Friseure, Nagelstudios und öffentliche Gebäude wie Bibliotheken und Museen. Restaurants sowie Pubs dürfen im Außenbereich wieder Essen servieren und Alkohol ausschenken, die Gäste müssen aber an ihren Plätzen bleiben. Zoos und Freizeitparks dürfen öffnen, aber noch mit Einschränkungen ihrer Innenaktivitäten: Besucher verschiedener Haushalte dürfen sich nicht vermischen. Das Gleiche gilt für Fitnesscenter, Hallenbäder und Hotels. An den Universitäten finden wieder Präsenzkurse statt. An Beerdigungen dürfen bis zu 30 Personen teilnehmen, an Hochzeiten und anderen Festivitäten maximal 15 Personen.
Stufe 3 – frühestens ab 17. Mai
Die Einschränkungen für Treffen unter freiem Himmel fallen weitgehend weg. Erlaubt sind Treffen von bis zu 30 Personen. Im Innenbereich dürfen sich sechs Personen treffen bzw. zwei Haushalte mit mehr Personen. Die Innenbereiche von Pubs, Restaurants, Hotels, Kinos usw. dürfen wieder öffnen mit der gleichen Limitierung von Personengruppen. Zu Sportveranstaltungen werden wieder Zuschauer zugelassen: im Hallensport bis zu 1.000 Zuschauer, im Außensport bis zu 4.000 Zuschauer – mit Ausnahme von großen Stadien, wo bis zu 10.000 Zuschauer teilnehmen dürfen. An Hochzeitsgesellschaften und anderen Festivitäten dürfen bis zu 30 Personen teilnehmen.
Stufe 4 – frühestens ab 21. Juni
Alle Kontakteinschränkungen fallen weg. Die letzten geschlossenen Bereiche wie etwa Nachtklubs und Diskotheken dürfen öffnen. Größere Events und Festivals dürfen stattfinden.
Die Öffnungen können aber an bestimmte Konditionen geknüpft sein. Diskutiert wird etwa die Einführung eines "COVID status certificate", in dem jeder Bürger seine regulären Corona-Testergebnisse einträgt und somit ausweisen kann, dass er negativ ist.
Die Planungen der britischen Regierung wurden von der Opposition und auch von Teilen von Johnsons Konservativen Partei kritisiert. Den einen geht die Lockerung zu schnell und die Pläne sind zu wenig wissenschaftlich-medizinisch fundiert, den anderen dauert die Öffnung zu lange. Besonders schwerwiegend fiel die Kritik vonseiten der Experten der Scientific Advisory Group for Emergencies aus. Sie machten deutlich, dass die Lockerungen zu einer Zunahme der Fallzahlen, der Krankenhausbelegung und der Todesfälle führen können.
Premierminister Johnson hält dagegen:
"Wir können dem Fakt nicht entgehen, dass die Lockerung des Lockdowns zu immer mehr Fällen, mehr Intensivfällen und leider auch mehr Todesfällen führt. Das wird passieren, egal wann der Lockdown gelockert wird – ob jetzt oder erst in sechs oder neun Monaten."
Deswegen verteidigte Johnson den aktuellen Lockerungsplan:
"Wir können nicht unendlich fortfahren mit Einschränkungen, die unsere Wirtschaft, unser physisches und mentales Wohlergehen und die Lebensperspektive unserer Kinder gefährden."
Der oberste Gesundheitsberater der britischen Regierung, Chris Whitty, betonte zudem, dass das Coronavirus die Gesellschaft auch in Zukunft begleiten werde – "auch in den nächsten Wintern". COVID-19 könnte damit zu einem saisonalen Phänomen werden, genauso wie die Influenza-Grippe, die jährlich durchschnittlich um die 9.000 Todesfälle in Großbritannien nach sich zöge.
"Es gibt eine Reihe von Atemwegsinfektionen und ich befürchte, in absehbarer Zukunft wird sich das Coronavirus zu den Dingen einreihen, die besonders gesundheitlich gefährdete Personen bedrohen – auch mit einer Impfung."
Die Infektionszahlen in Großbritannien sind nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur in den vergangenen Wochen deutlich gesunken. Trotzdem liegen sie noch immer auf einem verhältnismäßig hohen Niveau. Die Zahl der Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche wird derzeit mit 121 angegeben. Das ist etwa doppelt so hoch wie in Deutschland. Gleichzeitig wurden bereits mehr als 17,5 Millionen Menschen mit einer ersten Impfdosis gegen das Coronavirus geimpft. Bisher sind in Großbritannien mehr als 120.000 Menschen an oder mit dem Coronavirus gestorben.
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