Weißrussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja gesteht Niederlage ein

Nach monatelangen Massenprotesten in Weißrussland räumt die frühere Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja eine vorläufige Niederlage gegen Alexander Lukaschenko ein. In einem Interview für die Schweizer Zeitung "Le Temps" kündigt sie eine neue Strategie an.

Die weißrussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat in einem Interview für die Schweizer Zeitung Le Temps zugegeben, dass die monatelangen Proteste im osteuropäischen Land nachlassen. Das Blatt sprach mit der 38-Jährigen in ihrem selbstgewählten Exil in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Tichanowskaja sagte dort unter anderem: 

"Ich muss zugeben, wir haben die Straße verloren. Wir haben nicht die Mittel, der Gewalt des Regimes gegen die Demonstranten etwas entgegenzusetzen. Sie haben die Waffen. Sie haben die Macht. Ja, es sieht im Moment so aus, als hätten wir verloren."

Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin erklärte, die Gegner des amtierenden Staatschefs Alexander Lukaschenko hätten eine schnellere Lösung der Situation erwartet. Die "Rückkehr zur Demokratie" würde aber länger als erwartet dauern. Vor diesem Hintergrund kündigte Tichanowskaja eine neue Strategie an:

"Unsere Strategie ist es, uns besser zu organisieren, das Regime unter ständigen Druck zu setzen, bis die Menschen wieder bereit sind, auf die Straße zu gehen, vielleicht im Frühjahr."

Die massenhaften Protestdemonstrationen hatten in Weißrussland nach den Präsidentschaftswahlen am 9. August begonnen. Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission in Minsk gewann Lukaschenko seine sechste Wahl mit 80,1 Prozent der Stimmen. Seine wichtigste Rivalin Tichanowskaja konnte demnach 10,12 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Die weißrussische Opposition erkannte das Wahlergebnis nicht an.

Seitdem kam es immer wieder zu landesweiten Protestzügen, an denen sich zeitweilig zehntausende Menschen beteiligten. Die Polizei ging mit Tränengas, Gummigeschossen und Blendgranaten gegen die Demonstranten vor. Allein in den ersten Tagen wurden nach Angaben des Innenministeriums fast 7.000 Teilnehmer der nicht genehmigten Protestaktionen festgenommen. Hunderte Menschen, darunter Polizisten, erlitten Verletzungen. Die EU erkannte die Wahlen nicht an und verhängte gegen Lukaschenko und andere hochrangige Beamte Sanktionen. Die weißrussischen Behörden schrieben Tichanowskaja wegen öffentlicher Aufrufe zur Machtergreifung zur internationalen Fahndung aus.

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