Niederländische Regierung erleichtert: Ausgangssperre bleibt dank Berufungsgericht in Kraft

Am Dienstag hatte das Verwaltungsgericht in Den Haag die Ausgangssperre aufgehoben, da man keine akute Notsituation ausmachen könne. Damit wollte sich die niederländische Regierung nicht zufriedengeben. Noch am Abend gab das Berufungsgericht deren Eilantrag dagegen statt.

Das Bild der beschaulichen und friedlichen Niederlande bekam vor wenigen Tagen erhebliche Risse. Grund waren Ereignisse um die jüngsten Corona-Maßnahmen der Regierung unter Mark Rutte. Um der ausgerufenen Corona-Pandemie Einhalt zu gebieten, hatte die niederländische Regierung am 23. Januar eine landesweite Ausgangssperre von 21 Uhr bis 5:30 Uhr verhängt. Als Grundlage diente dabei ein Notgesetz, dass es der Regierung erlaubt, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, auch ohne das Parlament einzubeziehen.

Die Entscheidung führte in der Folge in mehr als zehn Städten des kleinen Landes zu heftigen und tumultartigen Protesten. Die niederländischen Sicherheitsbehörden sprachen von den schlimmsten Krawallen seit 40 Jahren. Die Ausschreitungen wären womöglich nur der Anfang gewesen, erklärte der Sprecher der niederländischen Polizeigewerkschaft (NPB) Koen Simmers:

"Ich hoffe, es war ein Einzelfall, aber ich fürchte, es war ein Vorbote für die kommenden Tage und Wochen. So viel Gewalt haben wir seit 40 Jahren nicht mehr gesehen."

Am Dienstag dann der Paukenschlag. Laut dem Verwaltungsgericht in Den Haag hatte es die Regierung versäumt, die Anwendung der Notstandsbefugnisse in ausreichendem Maße zu rechtfertigen. Die Ausgangssperre müsse daher unverzüglich aufgehoben werden. Nach Auffassung des Gerichts handele es sich nicht um eine akute Notsituation wie bei einem "Deichbruch". Daher handele es sich bei der verhängten Ausgangssperre um eine schwere Einschränkung der Bewegungsfreiheit und einen unzulässigen Eingriff in die persönlichen Lebensumstände der Bürger.Das Gericht in Den Haag gab damit einer Klage der Protestgruppe "Viruswahrheit" (Viruswaarheid) statt.

Ministerpräsident Rutte bezeichnete das Urteil gegen die Ausgangssperre anschließend hingegen als herben Rückschlag und forderte die Bevölkerung dazu auf, sich – unabhängig von der Entscheidung des Gerichts – weiterhin an die Ausgangssperre zu halten, die seiner Meinung nach "einfach notwendig" sei. Es gelte nun vor allem, auch die Ausbreitung der britischen SARS-CoV-2-Variante zu unterbinden.

Als Folge kündigte Rutte an, dass seine Regierung einen Eilantrag gegen das Urteil einbringen werde. Die Ausgangssperre solle solange in Kraft bleiben, bis dann im Berufungsverfahren darüber entschieden wäre. Am Dienstagabend und unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ausgangssperre um 21 Uhr kassierte das Berufungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts. Das dreiköpfige Berufungsgremium gewährte der niederländischen Regierung die erhoffte einstweilige Verfügung zur Aufrechterhaltung dieser restriktiven Corona-Maßnahme.

Bei der Verkündung des Urteils erklärte die Vorsitzende Richterin Marie-Anne Tan-de Sonnaville, dass die Interessen des Staates bei der Bekämpfung des Virus "mehr Gewicht haben als die von Viruswahrheit". Zudem gelte es, einen "Yo-Yo-Effekt" zu vermeiden. Eine Ausgangssperre aufzuheben, die dann zu einem späteren Zeitpunkt womöglich wieder verhängt würde, sei wenig sinnvoll.

Ministerpräsident Rutte zeigte sich erleichtert:

"Die gute Nachricht ist, dass die Ausgangssperre in Kraft bleiben wird. Sie ist von Bedeutung, weil wir mit dem Anstieg des englischen Virus konfrontiert sind. Wir sind sehr besorgt darüber."

Am Freitag soll nun über den Fall verhandelt werden. Kommende Woche will die Berufungsinstanz ihr Urteil verkünden. Derweil arbeitet die niederländische Regierung laut Ministerpräsident Rutte an einem Notstandsgesetz, um die Maßnahmen wie die verhängte Ausgangssperre auf eine stärkere rechtliche Grundlage zu stellen.

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