Das weißrussische Ermittlungskomitee leitete Durchsuchungen in mehreren öffentlichen Organisationen im Zusammenhang mit Ermittlungen zu "Finanzierung von Protesten" ein. "Als Teil der Voruntersuchung, um die Umstände der Finanzierung von Protestaktivitäten zu ermitteln, haben die Ermittler Durchsuchungen in Organisationen eingeleitet, die sich als Menschenrechtsorganisationen positionieren", teilte die Behörde am Dienstag in einer Telegram-Nachricht mit.
Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen gab es 30 Hausdurchsuchungen mit einzelnen Festnahmen in allen größeren Städten des Landes. Zahlreiche als "unabhängig" bezeichnete Medien und NGOs werden in Weißrussland traditionell durch ausländische Fonds finanziert. Damit stehen viele von ihnen im Verdacht, oppositionelle Aktivitäten finanziell unterstützt zu haben.
Diesmal war auch das bekannte Menschenrechtszentrum Wesna von den Razzien betroffen. Dabei seien Telefone und Geräte beschlagnahmt worden, teilte die Organisation mit. Zwei Mitglieder seien festgenommen worden. Der stellvertretende Leiter der Organisation Walentin Stefanowitsch sagte:
"Das ist die Logik der Repression – am Anfang kommen sie zu den Politikern, den Aktivisten und danach zu den Journalisten und Menschenrechtlern."
Razzien gab es auch bei der Weißrussischen Assoziation der Journalisten. Deren Vorsitzender Andrej Bastunez sei von Polizisten mitgenommen, später aber wieder freigelassen worden, hieß es.
Zur Finanzierung der Proteste zählen die weißrussischen Behörden auch die Solidaritätsfonds, die NGOs, Unternehmer oder Auslands-Weißrussen zur Bezahlung von Bußgeldern geschaffen haben.
Vor einem Monat erklärte das weißrussische Ermittlungskomitee, dass die Begleichung von Bußgeldern, die nicht von den Festgenommenen selbst gezahlt wurden, "ungültig" seien. Die Hilfe zur Bezahlung der Bußgelder werde der Finanzierung der Proteste zugerechnet. "Der Grundsatz der verwaltungsrechtlichen Individualhaftung bedeutet, dass die Strafe unmittelbar von demjenigen beglichen werden muss, der zur Verantwortung gezogen wird. Andernfalls wird die Bedeutung des Instituts der persönlichen Verantwortung völlig nivelliert", sagte ein leitender Beamter des Untersuchungskomitees laut der russischen Zeitung Nesawissimaja Gaseta.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) äußerte ihre "äußerste Besorgnis" angesichts der Berichte über Razzien und rief die Behörden in Weißrussland auf, die Menschenrechte der Aktivisten zu respektieren. Amnesty International kritisierte, dies sei "ein zentral organisierter und gezielter Versuch, die unabhängigen Medien und Menschenrechtsorganisationen des Landes stark zu schwächen". Die Organisation Reporter ohne Grenzen sprach von einem "schwarzen Tag für die Pressefreiheit".
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), warf Präsident Alexander Lukaschenko einen "Informations-Shutdown" vor. "Er will, dass niemand mehr von den unzählbaren Menschenrechtsverletzungen seines Regimes erfährt."
Die weißrussischen Behörden hatten immer wieder behauptet, dass die Demonstrationen nach der Präsidentenwahl im August aus dem Ausland finanziert worden seien. Wochenlang hatten teils Zehntausende Menschen regelmäßig gegen das von ihnen nicht anerkannte Wahlergebnis protestiert. Bis zu 7.000 Demonstranten wurden festgenommen, viele beklagten Polizeigewalt. Zuletzt gab es kleinere Proteste in Wohnvierteln.
Maas sichert Opposition Finanzierung zu
Erst vor wenigen Tagen erklärte der deutsche Außenminister Heiko Maas, dass Deutschland und die Europäische Union an der Seite der friedlichen Demonstranten stünden, und verwies auf die verhängten Sanktionen gegen Lukaschenko und "sein Regime".
Außerdem erwähnte der SPD-Politiker einen mit bis zu 21 Millionen Euro dotierten "Aktionsplan Zivilgesellschaft Belarus". Maas zufolge sollten mit dem Geld Studierende und unabhängige Medien unterstützt werden. Zudem könnten mit der von der Bundesregierung beschlossenen Initiative verfolgte Oppositionelle leichter Zuflucht in Deutschland bekommen. Der Außenminister sagte, Deutschland werde auch einen Mechanismus einrichten, um Beweise gegen diejenigen zu sammeln, die Menschenrechte verletzten.
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