An den Grenzen zu Tschechien und zum österreichischen Bundesland Tirol gelten seit Sonntag neue Einreiseregeln. Aus Angst vor den dort verbreiteten, ansteckenderen Varianten des Coronavirus wird an den entsprechenden Grenzübergängen in Bayern und Sachsen streng kontrolliert. Es dürfen nur noch Berufspendler einreisen, die in systemrelevanten Branchen in Deutschland dringend gebraucht werden. Wer aber tatsächlich weiterhin nach Deutschland darf und wer nicht – darüber gab es zunächst Unklarheiten. Die österreichische Regierung kritisierte die neuen Maßnahmen. Innenminister Karl Nehammer bemängelte, dass diese den innerösterreichischen Verkehr zwischen Tirol und dem Osten Österreichs behindern würden, da die Strecke über das sogenannte Deutsche Eck in Bayern de facto gesperrt sei:
"Die De-facto-Sperre des Großen und Kleinen Deutschen Ecks für Österreicherinnen und Österreicher ist absolut inakzeptabel. Diese Maßnahme von Bayern ist unausgegoren und löst nur Chaos aus."
Auch der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg warnte am Sonntag vor "überschießenden Schritten, die mehr schaden als nützen." Dies habe der Minister seinem deutschen Kollegen Heiko Maas mitgeteilt.
Außerdem übte Österreich auf diplomatischer Ebene Kritik aus. Ralf Beste, der deutsche Botschafter in Wien, sei am Sonntag auf die aus österreichischer Sicht Unverhältnismäßigkeit der deutschen Schritte hingewiesen worden, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums. Das sachliche Gespräch habe in guter Atmosphäre auf hoher Beamtenebene stattgefunden, hieß es.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verteidigte hingegen die schärferen Einreiseregeln. "Wir müssen unseren Landkreisen in der Grenzregion die Möglichkeit geben, zur Ruhe zu kommen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Es gebe "Momente in einer Pandemie, in denen man solche Entscheidungen zur Sicherheit und Gesundheit aller treffen muss".
Bis Dienstag wollen Bayern und Sachsen systemrelevante Betriebe definieren und individuelle Bescheinigungen ausstellen, die an der Grenze vorgezeigt werden sollen. Die Automobilindustrie befürchtet trotzdem Produktionsausfälle, etwa weil Zulieferungen nicht rechtzeitig ankommen. Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte schon zuvor vor Verzögerungen gewarnt. "Durch die Kontrollen kann es hier und da zu Wartezeiten kommen. Die Bundespolizei wird den Verkehr nicht einfach durchwinken", sagte der Politiker.
Viele Betriebe waren in Sorge, am Montag nicht wie gewöhnlich produzieren zu können. Allein in Bayern arbeiten nach aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit 22.000 Tschechen und 9.600 Österreicher, viele davon im verarbeitenden Gewerbe.
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