Am 19. Juli 2016 wollte Adama Traoré, ein junger Mann malischer Abstammung, gemeinsam mit seinem Bruder Bagui seinen 24. Geburtstag in dem Pariser Vorort Beaumont-sur-Oise nördlich der französischen Hauptstadt feiern. Doch nachdem die Polizei auf beide aufmerksam wurde, sollte es dazu nicht mehr kommen.
Die Beamten suchten im Rahmen eines Polizeieinsatzes nach dem Bruder des späteren Todesopfers. Traoré habe keinen Ausweis bei sich geführt und versucht zu fliehen, wurde aber gefasst. Drei Beamte drückten ihn dabei unter Einsatz ihres vollen Körpergewichts zu Boden, während der junge Mann klagte, keine Luft mehr zu bekommen. Anschließend wurde er von den Polizisten abgeführt. Noch im Polizeiwagen verlor Traoré das Bewusstsein. Zwei Stunden habe der junge Mann in Handschellen und auf dem Bauch liegend in Gewahrsam verbracht. Der herbeigerufene Rettungsdienst konnte anschließend nur noch den Tod feststellen.
Der Fall löste nicht nur in den Pariser Vorstädten erneut Massenproteste und Unruhen aus. Der Protest richtete sich gegen eine endemische "Polizeigewalt" gegenüber arabischen und afrikanischen Migranten, die nicht selten mit dem Tod ende. Trotz eines Demonstrationsverbots gingen in Paris und anderen französischen Städten mehr als 25.000 Menschen auf die Straßen. In Anlehnung an den Tod des Afroamerikaners George Floyd waren dabei Schilder mit Slogans wie "Black Lives Matter" und "I can't breathe" zu sehen. Am Rande der Proteste kam es zu Ausschreitungen und dem Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen.
Nun brachten französische Medien wieder Bewegung in den Fall, indem sie einen Bericht belgischer Ärzte zitierten. Diese waren von den ermittelnden Behörden mit der Untersuchung der genauen Todesumstände betraut worden.
Nach Angaben der Mediziner habe Traoré "sehr wahrscheinlich einen Hitzschlag erlitten". Es könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass eine "Erstickungsperiode durch körperliche Zwangsmaßnahmen eine Rolle" beim Tod des Maliers gespielt habe.
Das aus vier Ärzten bestehende Team hielt fest, dass die von den Gendarmen durchgeführten "Manöver zur Festsetzung" und die "zu einem geringeren Ausmaß zugrunde liegenden (körperlichen) Bedingungen" letztlich zum Tod des jungen Mannes geführt hätten.
In einem Auszug des medizinischen Berichts heißt es, dass der Zustand des Maliers keine "dramatische Entwicklung" genommen hätte, wenn die Beamten nicht dermaßen massiv vorgegangen wären. Die Ärzte, heißt es weiter, gingen davon aus, dass der Mann einen Hitzschlag erlitten habe, weil er in eine Situation von "kurzer, aber intensiver körperlicher Aktivität unter adrenergem Stress und atmosphärischer Hitze" gebracht worden sei.
"Mit anderen Worten (...) kann man davon ausgehen, dass Herr Traoré ohne die Anwendung dieser (polizeilichen) Zwangsmaßnahmen nicht die dramatische Entwicklung gezeigt hätte, die später beobachtet wurde."
Laut dem Radiosender France Info stellten die Experten fest, dass die Tatsache, dass die Hände des Maliers mit Handschellen auf dem Rücken fixiert waren, wahrscheinlich zu den starken Atemproblemen beigetragen haben. Dies bestätigte auch der Anwalt der Familie, Yassine Bouzrou, gegenüber französischen Medien.
So habe der Bericht gezeigt, dass Traorés Fixierung bei gleichzeitigem Tragen der Handschellen auf dem Rücken wahrscheinlich zu dessen Erstickungstod beigetragen habe.
Bereits im März 2019 war eine von der Familie des Opfers angestrengte Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass der Tod des Familienmitglieds ursächlich auf "mechanisches Ersticken" – also auf Außeneinwirkung – zurückzuführen gewesen sei. Es handelte sich um eine Gegenexpertise, da die Polizei zuvor etwa behauptet hatte, dass Traoré in Seitenlage liegend verstorben sei. Ein späteres richterlich angeordnetes medizinisches Gutachten kam dahingegen zu dem Schluss, dass der Tod vornehmlich auf Vorerkrankungen des Mannes zurückzuführen sei. Traorés Familie bestritt indes, dass er an solchen gelitten habe.
Die drei Polizeibeamten, die Traoré festnahmen, beteuern bis heute ihre Unschuld und wurden bislang nicht formell angeklagt.
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