Keine Gnade für pandemiegeschädigte Staaten: EZB-Chefin gegen Erlassen von Corona-Schulden

Die Schulden der EU-Mitgliedsstaaten sind in der Corona-Krise deutlich gestiegen. Während der Lockdowns mussten die Volkswirtschaften mit Hilfe von Krediten über Wasser gehalten werden. Die Europäische Zentralbank lehnt einen Schuldenerlass jedoch ab.

Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) Christine Lagarde hat Forderungen zurückgewiesen, den Mitgliedern der Eurozone Schulden zu erlassen, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer Volkswirtschaften während der COVID-19-Lockdowns gemacht haben. In einem Interview mit der französischen Wochenzeitung Le Journal du Dimanche sagte die EZB-Chefin:

"Diese Schulden zu streichen ist undenkbar. Es wäre ein Verstoß gegen den Europäischen Vertrag, der die monetäre Finanzierung von Staaten strikt verbietet."

Die Erklärung erfolgte kurz nachdem ein Pool von mehr als 100 Ökonomen die Regulierungsbehörde dazu aufgerufen hat, die wirtschaftliche Erholung der Länder der Eurozone durch einen Schuldenerlass weiter anzukurbeln. In einem Brief, der von mehreren Medien veröffentlicht wurde, schrieben die Experten:

"Mit anderen Worten, wir schulden uns selbst 25 Prozent unserer Schulden, und wenn wir diesen Betrag zurückzahlen wollen, müssen wir ihn anderswo finden. Entweder müssen wir neue Kredite aufnehmen, um die Schulden zu verlängern, anstatt Kredite für Investitionen aufzunehmen, Steuererhöhungen einführen oder Ausgabenkürzungen durchführen."

Den Ökonomen zufolge wird ein Viertel der öffentlichen Schulden der Nationen, die sich Berichten zufolge auf 2,5 Billionen Euro belaufen, mittlerweile von der Regulierungsbehörde gehalten. Die Analysten schlagen stattdessen vor, dass die EZB den Ländern Schulden erlässt, falls sie sich im Gegenzug verpflichten, einen entsprechenden Betrag für eine umweltfreundlichere Gestaltung ihrer Wirtschaft und für soziale Projekte auszugeben.

Lagarde, die zuvor den Internationalen Währungsfonds leitete, vertritt ebenfalls die Meinung, dass "alle Länder der Eurozone mit hohen Schulden aus dieser Krise hervorgehen werden." Allerdings versicherte sie, dass die Schuldner in der Lage sein werden, diese zurückzuzahlen.

Bislang hat die EZB beispiellose Unterstützungsmaßnahmen ergriffen, um die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie innerhalb der Eurozone abzumildern. Die Regulierungsbehörde genehmigte ein massives Anleihekaufprogramm, das sich auf insgesamt 1,85 Billionen Euro beläuft.

Die EZB-Chefin erwartet, dass 2021 zu einem "Jahr der Erholung" wird, räumte aber ein, dass die Wirtschaft der Eurozone nicht vor Mitte 2022 zu einem vorpandemischen Niveau zurückkehren wird.

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