Im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal ermittelt die Wiener Staatsanwaltschaft gegen mutmaßliche Fluchthelfer des untergetauchten Managers Jan Marsalek. Hierbei handelt es sich um einen FPÖ-Politiker sowie einen ehemaligen und einen suspendierten Mitarbeiter des österreichischen Verfassungsschutzes. Alle drei wurden festgenommen. Einer der beiden Ex-Geheimdienstmänner ist zunächst wieder auf freiem Fuß, bestätigte die Staatsanwaltschaft Wien am Montag. Die Ermittlungen gegen alle drei laufen wegen des Verdachts der Begünstigung.
Der ehemalige FPÖ-Nationalratsabgeordnete Thomas Schellenbacher war bereits vorher ins Visier der Wiener Justiz geraten und sitzt nun in Untersuchungshaft. Sein Anwalt räumte ein, dass der FPÖ-Politiker dem Wirecard-Manager Marsalek kurz vor der Insolvenz im Juni half, den Flug nach Minsk zu buchen, mit dem sich dieser absetzte. Strafbar habe sich Schellenbacher damit aber nicht gemacht, da damals noch kein Haftbefehl gegen Marsalek vorgelegen habe, sagte Anwalt Farid Rifaat der österreichischen Nachrichtenagentur APA.
Der ehemalige Abteilungsleiter des österreichischen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) soll ebenfalls bei der Flucht nach Minsk geholfen haben, ist demnach aber wieder auf freiem Fuß. Bei dem dritten Verdächtigen sei noch unklar, ob Untersuchungshaft verhängt werde, hieß es bei der Wiener Staatsanwaltschaft. Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte eine schonungslose Aufklärung an:
"Wir greifen konsequent durch und schaffen Schritt für Schritt durch die Aufklärung dieses Kriminalfalls einen sauberen Neustart für den Verfassungsschutz."
NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper sagte:
"Die neuesten Entwicklungen rund um die Festnahme von BVT-Mitarbeitern und einen ehemaligen Nationalratsabgeordneten zeigen deutlich auf, dass die Aufarbeitung der Causa Wirecard durch die Ermittlungsbehörden in Österreich erst am Anfang steht. Das bisher Bekannte ist nur die Spitze des Eisberges."
Auch SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner zeigte sich fassungslos über die Festnahmen. Die Zustände im Bundesamt für Verfassungsschutz seien eine absolute Zumutung, so der Politiker. Er fügte hinzu:
"Es zeigt sich einmal mehr, dass die ÖVP der FPÖ niemals die Schlüssel zum Innenministerium hätte geben dürfen."
Der ehemalige Wirecard-Vertriebsvorstand Marsalek ist seit dem Flug nach Weißrussland untergetaucht. Er gilt in dem Skandal als Schlüsselfigur. Die Münchner Staatsanwaltschaft lässt international nach dem österreichischen Manager suchen. Marsalek soll maßgeblich an gewerbsmäßigem Bandenbetrug beteiligt gewesen sein, von dem die Münchner Staatsanwaltschaft ausgeht. Die Wirecard-Chefetage soll die Bilanzen des Konzerns spätestens seit dem Jahr 2015 mit erfundenen Gewinnen manipuliert haben. Dank der erdichteten Profite bekam Wirecard problemlos Kredite, die nun zum größten Teil verloren sind. Der Schaden für Banken und Investoren könnte laut Münchner Staatsanwaltschaft bei mehr als drei Milliarden Euro liegen. Außerdem geht die Behörde der Frage nach, ob Marsalek und andere Beschuldigte dreistellige Millionensummen aus dem Wirecard-Firmenvermögen abzweigten und auf die Seite schafften.
In Deutschland steht außerdem die Frage nach Marsaleks österreichischen Geheimdienstkontakten im Raum. Im Herbst schloss der Generalbundesanwalt nicht aus, dass der Ex-Manager ein V-Mann des österreichischen Verfassungsschutzes war, wie es in einer Antwort des Bundesjustizministeriums in Berlin auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi (Linke) hieß. Inzwischen geht das Bundesinnenministerium davon aus, dass Marsalek zumindest nicht gegen Deutschland spionierte. Wie es im Dezember auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Michael Leutert hieß, haben sich "keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die im Raum stehenden Kontakte Jan Marsaleks zum Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung den Tatbestand einer gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten geheimdienstlichen Agententätigkeit oder eines sonstigen in die Verfolgungszuständigkeit des GBA fallenden Straftatbestands erfüllen könnten".
Das im Jahr 2002 gegründete BVT ist einer von drei Nachrichtendiensten in Österreich und analysiert unter anderem Gefahren durch extremistische Strömungen wie radikalen Islamismus und Rechtsextremismus. Das Amt geriet in den vergangenen Jahren durch verschiedene Affären in Misskredit.
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