In mehr als zehn Städten kam es in den Niederlanden am späten Sonntagabend zu massiven Protesten gegen die Corona-Maßnahmen und die verhängte Ausgangssperre. Die Situation eskalierte. In der Zwischenzeit sprechen die niederländischen Sicherheitsbehörden von den schlimmsten Krawallen seit 40 Jahren.
Den Hintergrund zu diesen Ereignissen bildete die erste landesweite Corona-Ausgangssperre in den Niederlanden. Zuvor war über die sozialen Netzwerke zu den Protesten gegen die Ausgangssperre aufgerufen worden. Die Polizei geht in ersten Analysen nun davon aus, es hätten sich unterschiedliche Gruppierungen an der Gewalt beteiligt. Bei diesen handele es sich um sogenannte Corona-Leugner, Fußball-Hooligans und Neo-Nazis.
Am Tag nach den stundenlangen Ausschreitungen und Zusammenstößen mit Sicherheitskräften bieten viele Städte ein Bild der Verwüstung. Straßen und Plätze sind übersät mit Glasscherben, ausgebrannten Autos und Steinen. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte erklärte am Montag:
"Das ist absolut unzulässig, das hat nichts zu tun mit Protesten, sondern ist kriminelle Gewalt."
Rutte betonte, dass sich "99 Prozent" der niederländischen Bevölkerung an die Ausgangssperre hielten. Die niederländische Polizeigewerkschaft (NPB) rechnet derweil mit weiteren Protesten. Die Ausschreitungen vom Wochenende seien womöglich nur der Anfang gewesen, erklärte NPB-Sprecher Koen Simmers:
"Ich hoffe, es war ein Einzelfall, aber ich fürchte, es war ein Vorbote für die kommenden Tage und Wochen. So viel Gewalt haben wir seit 40 Jahren nicht mehr gesehen."
Besonders massiv sollen die Ausschreitungen in Amsterdam, aber vor allem auch in Eindhoven, der fünftgrößten Stadt der Niederlande gewesen sein. In beiden Städten kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und erheblichen Sachschäden. In Amsterdam wurde eine Protestversammlung von etwa 1.500 Menschen von den Sicherheitskräften aufgelöst. In Eindhoven sollen mehrere Fahrzeuge in Brand gesteckt und Geschäfte in Nähe des Hauptbahnhofs geplündert worden sein.
Gegenüber lokalen Medien erklärte der Bürgermeister Eindhovens John Jorritsma:
"Eindhoven, das ich seit Jahren als Stadt der Technologie, des Designs, der Kreativität und der Sozialpolitik aufgebaut habe, wird jetzt als Stadt des Beinahe-Bürgerkriegs gesehen. Das tut mir in jeder Faser meines Körpers weh."
Sollte sich die Lage sich weiter derart entwickeln, "bewegen wir uns auf einen Bürgerkrieg zu", so Rutte vor Journalisten. Vergeblich seien zuvor die Proteste am Sonntag untersagt worden. Auch das enorme Polizeiaufgebot und die Erklärung des Stadtzentrums zur Hochsicherheitszone habe die Unruhen nicht verhindern können. Den Gegnern der Corona-Maßnahmen sei es dennoch gelungen, auf dem 18. Septemberplein (Platz des 18. September) zusammenzukommen.
"Als um 13 Uhr die ersten fünfzig bis hundert Leute dort eintrafen und angesprochen wurden, dass sie gehen sollten, ging es sofort schief. Sie holten Waffen, Stöcke, Knüppel, alle Arten von Material, um diese Beamten anzugreifen."
Wasserwerfer, Hunde und Tränengas wurden eingesetzt, um die stetig wachsende Menschenmenge auseinanderzutreiben. Nach Angaben niederländischer Medien wurden insgesamt wurden 240 Menschen festgenommen, die meisten davon in der Metropole Amsterdam. In Enschede sei ein Krankenhaus zudem mit Steinen beworfen worden, während in der Kleinstadt Urk nördlich von Amsterdam eine Corona-Teststation des Gesundheitsamtes in Brand gesteckt worden sei. Erst am frühen Montagmorgen ebbten die Ausschreitungen landesweit ab.
Der niederländische Ministerpräsident Rutte will nun hart gegen die Demonstranten vorgehen:
"Das hat nichts mit Protesten zu tun. Das ist kriminelle Gewalt, und wir werden sie als solche behandeln."
Rutte betonte, dass die Ausschreitungen vom Wochenende keinen Einfluss auf die Maßnahmen haben werden, die zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus ergriffen worden sind.
"Die Ausgangssperre bleibt notwendig. Es ist das Virus, das uns unserer Freiheit beraubt."
In der Nacht zum Samstag trat in den Niederlanden eine Ausgangssperre von 21 Uhr bis 4:30 Uhr in Kraft. Sie soll bis zum 10. Februar gelten. Jeder, der ohne triftigen Grund gegen die Ausgangssperre verstößt, riskiert ein Bußgeld von 95 Euro. Bereits am Samstag wurden 3.600 Bußgeldbescheide wegen Verletzung der Ausgangssperre erteilt.
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