von Marinko Učur, Banja Luka-Belgrad
Es mussten mehr als 20 Jahre seit dem 1999 ausgeübten NATO-Angriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien vergehen, damit Voraussetzungen für die Einleitung einer Klage gegen die westliche Militärallianz bei innerstaatlichen Gerichten vorliegen. Die betroffenen Bürger und ihre Familienangehörigen fordern von der NATO einen Schadensersatz für die Folgen der Bombardierung mit Projektilen aus abgereichertem Uran.
Experten aus verschiedenen Bereichen, Anwälte, Ärzte und Soldaten stießen nämlich auf verblüffende Daten über die Erhöhung der Zahl der an bösartigen Krankheiten und Krebs erkrankten und verstorbenen Bürger Serbiens, insbesondere in den Gebieten, die den NATO-Bomben ausgesetzt waren.
Die Kläger gegen das westliche Militärbündnis sind durch die Tatsache ermutigt, dass ähnliche Rechtsstreitigkeiten in Italien geführt wurden und dass der beklagte italienische Staat in bis zu 180 Fällen jenen Soldaten, die als Mitglieder der KFOR-Friedenstruppe in kontaminierten Gebieten gedient haben, einen Schadensersatz zahlen musste. Viele von ihnen wurden nämlich, nachdem sie in ihr Heimatland zurückgekehrt waren, auf unerklärliche Weise krank, nicht wenige starben sogar. Und in den darauffolgenden Gerichtsverfahren wurde festgestellt, dass sie an den Folgen einer Kontamination mit abgereichertem Uran starben.
Der römische Anwalt Angelo Fiore Tartaglia hat vor italienischen Gerichten Prozesse angestrengt, in denen er den Kausalzusammenhang zwischen bösartigen Krankheiten und Uranstaub nachwies, dessen Ablagerung im Körper italienischer Soldaten häufig zu tödlichen Folgen führte.
"Herr Tartaglia ist seit letztem Jahr Mitglied der serbischen Anwaltskammer und nimmt nun gleichberechtigt mit unseren Anwälten an diesem Prozess, der auf unwiderlegbaren Beweisen beruht, teil", bestätigte der Leiter des serbischen Rechtsteams Srđan Aleksić gegenüber RT DE und fügte hinzu, dass vor den Gerichtshöfen in Serbien, gestützt durch die italienische Rechtsprechung und mit den erstellten Sachverständigengutachten in Fällen, in denen der italienische Anwalt tätig war, das Bestehen einer Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen abgereichertem Uran und der Krebserkrankung bei serbischen Soldaten nachgewiesen sein wird.
Die Höhe der Entschädigung wird im Verlauf des Gerichtsverfahrens festgelegt. Der Anwalt ist jedoch der Ansicht, dass sich die Mindestentschädigung auf 100.000 Euro und mehr beläuft.
Er glaubt auch, dass sich seine Klienten in der gleichen Situation befanden wie die italienischen Soldaten, die vor den Gerichten ihres Landes Schadensersatz erhalten hatten.
"Sie waren ohne Schutzausrüstung, sie konsumierten genauso wie die italienischen Soldaten Nahrung und Wasser vor Ort, und sie kamen mit Schwermetallen und abgereichertem Uran in Kontakt."
Bisher haben sich rund 2.000 Klienten an Aleksićs Büro gewandt, und alle haben medizinische Unterlagen eingereicht, die fachkundig geprüft wurden und die die Vorwürfe der Klage gegen die NATO bestätigen.
"Die beklagte Partei ist die NATO-Allianz, weil es eine internationale Organisation ist, die von einzelnen Mitgliedsstaaten gegründet wurde und über eigene Entscheidungsgremien und Verantwortungen verfügt.
Falls das Gericht den Klägern eine Entschädigung zuerkennt, sollte diese von der NATO gezahlt werden, da sie als internationale Organisation einen unabhängigen Rechtsstatus in Bezug auf die Mitgliedsstaaten genießt und sogar ihren eigenen Haushalt hat.
Den Gerichten werden neben den Klagen auch schriftliche Beweise vorgelegt, die die nationalen Behörden zuvor in Verfahren gegen NATO-Führer und Staatsoberhäupter zusammengetragen haben, die an den illegalen und von den Vereinten Nationen nicht genehmigten Bombenangriffen auf den souveränen Staat Serbien, Mitglied und Gründer dieser Weltorganisation, teilgenommen haben.
Im Verfahren gegen die Auftraggeber des Bombenanschlags wurden im Jahr 2000 Bill Clinton, Javier Solana, Wesley Clark, Tony Blair, Madeleine Albright, Jacques Chirac und Gerhard Schröder zu jeweils 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Die herrschenden Strukturen, die Serbien nach dem Sturz von Slobodan Milošević führten, hoben dieses Urteil schnell auf.
Rechtsanwalt Aleksić erklärt, warum die Klagen nicht bei den Gerichtshöfen der NATO-Mitgliedsstaaten eingeleitet wurden:
"Kollegen in Deutschland forderten von uns eineinhalb Millionen Euro, um solche Rechtsstreitigkeiten überhaupt einleiten zu können."
Allein die Gerichtsgebühren bei Schadensersatzstreitigkeiten in Deutschland würden sich auf mehr als 200.000 Euro belaufen, da wir einen hohen Schadensersatz von bis zu einer Million Euro, wie ihre Soldaten in Italien erhalten haben, verlangen würden.
Warum würden unsere geschädigten Bürger denn weniger bekommen? Auf Anraten deutscher Kollegen leiten wir die Klage in Serbien ein, da wir bereits strafrechtliche Verurteilungen gegen NATO-Führer haben, unabhängig davon, dass sie inzwischen widerrufen wurden. Wir haben auch das Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, wo alle Beweise vorliegen.
Für Serbien ist es unbestreitbar, dass abgereichertes Uran Schaden angerichtet hat. Wenn das Gericht die NATO-Führer strafrechtlich zur Verantwortung gezogen hat, verstehe ich nicht, warum es auch den Schadensersatz nicht bestimmen konnte", so Anwalt Aleksić energisch.
Wir konnten nicht herausfinden, wie die offizielle Position der NATO zu den angekündigten Klagen und deren möglichen Ausgängen ist. Wir warteten vergeblich auf eine Antwort auf die gestellten Fragen. Niemand aus Brüssel hat auf unsere schriftliche Anfrage geantwortet. Zuvor hatte die NATO mitgeteilt, dass es keine Beweise dafür gibt, dass die Projektile, mit denen sie serbische militärische und zivile Ziele bombardierte, und deren Befüllung mit abgereichertem Uran für die menschliche Gesundheit schädlich ist.
Es wäre auch interessant zu wissen, ob das NATO-Hauptquartier in Brüssel Druck auf Belgrad ausüben wird, um diese Klagen schließlich fallen zu lassen, obwohl der Staat Serbien nicht hinter dem Prozess steht, sondern Vereine geschädigter Bürger – einer von ihnen heißt "Abgereichertes Uran".
Obwohl es noch zu früh ist, vorzeitige Schlussfolgerungen über den Ausgang angekündigter Rechtsstreitigkeiten zu ziehen, besteht immer die Möglichkeit, dass sich Gerichte in heiklen Gerichtsverfahren für unzuständig erklären, und dies wird sicherlich eines von ihnen sein. Dies wird dennoch ein Versuch sein, jenen Opfern eine gewisse Art von Gerechtigkeit zu verschaffen, die an Schrecken der Bombenangriffe und an Folgen, mit denen sie seit Jahrzehnten konfrontiert sind, gelitten haben.
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