Der britische Regierungschef Boris Johnson hat die EU beschuldigt, London Brexit-Bedingungen angeboten zu haben, die kein Premierminister akzeptieren könnte. Dies verkündete er einige Stunden vor seiner Abreise nach Brüssel, wo er sich zu Gesprächen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen traf. Johnson sagte gegenüber Abgeordneten am Mittwoch:
"Unsere Freunde in der EU bestehen derzeit darauf, dass sie – wenn sie in Zukunft ein neues Gesetz verabschieden, das wir in diesem Land nicht einhalten – das automatische Recht haben, uns zu bestrafen und Vergeltung zu üben."
"Außerdem sagen sie, dass das Vereinigte Königreich das einzige Land auf der Welt sein sollte, das keine souveräne Kontrolle über seine Fischereigewässer hat. Und ich glaube nicht, dass dies Bedingungen sind, die ein Premierminister dieses Landes akzeptieren sollte."
Obwohl der Fischfang sowohl in Großbritannien als auch in der EU einen kleinen Teil der Wirtschaft ausmacht, war das Thema bei den Verhandlungen zum Brexit stets ein Stolperstein. Die EU ist bestrebt, ihren derzeitigen Zugang zu britischen Gewässern und deren Nutzung auch nach dem Brexit beizubehalten. Großbritannien hingegen will Fangquoten festlegen, die bei jährlichen Gesprächen mit Brüssel festgelegt werden sollen. Die EU lehnte diese Idee bisher ab.
Johnson fügte hinzu, dass angesichts der gegebenen Pattsituation mit der EU "ein gutes Stück Arbeit geleistet werden" müsse. Am Dienstag hatte der britische Kabinettsleiter Michael Gove betont, er sehe noch immer "Raum für Kompromisse" zwischen den beiden Seiten.
Bei dem Treffen des britischen Premierministers mit EU-Kommissionschefin von der Leyen am Mittwoch sollen Fragen der Fischereirechte, faire Wettbewerbsregeln und eine Streitbeilegung diskutiert werden. Ein Durchbruch blieb jedoch aus, weshalb sich London und Brüssel im Ringen um einen Brexit-Handelspakt trotz massiven Zeitdrucks noch weitere vier Tage Zeit geben wollen. Die Differenzen sind weiterhin groß.
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