Am 7. Dezember 1970 besuchte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) das Denkmal der Helden des Warschauer Ghettos. Vor laufenden Kameras kniete Brandt nieder – das Bild ging um die Welt. Heute jährt sich der "Kniefall Brandts" zum 50. Mal. In den deutschen Medien wird an Brandt als Vordenker der "neuen Ostpolitik" gedacht und seine Kniegeste als Symbol der Versöhnung Deutschlands mit Polen gewürdigt.
Von den Zeitgenossen wurde Willy Brandts Kniefall als ein großes Symbolbild erachtet. Der Kanzler der BRD, die per Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "identisch" sei "mit dem Staat Deutsches Reich", kniet nieder vor den polnischen Opfern des deutschen Vernichtungskrieges. Brandt begründete seine Geste hinterher:
"Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt. So gedachte ich Millionen Ermordeter."
Von seiner Frau Rut gefragt, warum er das getan habe, antwortete er: "Irgendetwas musste man tun." Von der CDU wurde Brandt damals heftig kritisiert – insbesondere von den Verbänden der Heimatvertriebenen. Hintergrund der Kritik war weniger die Geste des Bundeskanzlers, als die Unterzeichnung eines Vertrages zwischen der BRD und der Volksrepublik Polen – dem "Vertrag über die Grundlagen der Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen". In diesen Vertrag wurde auch die Westgrenze der VR Polen an Oder und Neiße festgeschrieben.
Der Vertrag zwischen der BRD und der VR Polen war nicht der erste Schritt einer deutsch-polnischen Versöhnung. Am 6. Juli 1950 unterzeichneten die DDR und die VR Polen den Görlitzer Vertrag, in dem die Oder-Neiße-Linie als "Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen" fixiert wird. Am 23. August 1953 verzichtete die VR Polen auf weitere Reparationsforderungen gegenüber der DDR und betonte den "Geist der Demokratie und des Friedens" zwischen beiden Völkern.
Rezeption des 50. Jubiläums von Seiten der SPD
Der 50. Jahrestag des Kniefalls wird von den deutschen Medien und insbesondere von der SPD ausführlich gewürdigt. Bei Twitter gibt es unter dem Hashtag #50JahreKniefall zahlreiche Tweets führender SPD-Politiker. Exemplarisch lassen sich die Beiträge von Vizekanzler Olaf Scholz, von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, von dem Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und dem ehemaligen Parteivorsitzenden und Vizekanzler Sigmar Gabriel darstellen:
Würdigung und Reaktionen aus Polen
In Warschau wurde des 50. Jahrestages des Kniefalles bei einer Kranzniederlegung am Denkmal des Warschauer Ghettos gedacht. Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa würdigte Polens Präsident Andrzej Duda die Geste Brandts als Symbol der deutsch-polnischen Partnerschaft: "Für uns Polen hatte der Kniefall von Kanzler Willy Brandt eine große Bedeutung. Es gibt Handlungen, die sich als Ikone erweisen, die mehr ausdrücken können als Worte."
Bundespräsident Steinmeier schickte eine Videobotschaft, in der er aussagte:
"Die Partnerschaft zwischen Deutschland und Polen ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft. Aber wir werden auch die Vergangenheit nicht vergessen. Nicht das Leid der Menschen in Polen, nicht den historischen Mut zur Versöhnung und auch nicht einen Kniefall, der uns an all das erinnert."
Der polnische Kanzleichef Krzysztof Szczerski von der PiS-Partei sagte aber, dass der Weg der deutsch-polnischen Versöhnung noch nicht abgeschlossen sei. Das Thema der Reparationen müsse noch geklärt werden: "Ich glaube, dass wir bei den Reparationen in einem richtigen Moment bereit sein werden, uns an den Tisch zu setzen und diese Diskussion zu führen." In ähnlicher Weise argumentierte der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Przyłębski, am 6. Dezember.
Heiko Maas: "Klare deutsche Positionen gegenüber Moskau"
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) schrieb anlässlich des 50. Jahrestages des Kniefalls einen Gastbeitrag in der Passauer Neuen Presse. Darin würdigte er Brandts Geste als "Eingeständnis deutscher Schuld".
"Der Kanzler kniete, obwohl er es nicht nötig hatte. Er kniete für die, die es nötig hatten – aber nicht knien wollten."
Mit dieser Geste habe Brand den Grundstein für ein "neues, friedliches Deutschland gelegt und erwarb so der Bundesrepublik das wertvollste Gut der Diplomatie – Vertrauen". Gleichzeitig legte Brandt damit auch die "Fundamente" für die Europäische Union und für eine "neue europäische Ostpolitik":
"Auf sein Werk bauen wir mit einer neuen europäischen Ostpolitik auf. Anders als Brandt müssen wir heute nicht mehr den Umweg über Moskau gehen, um mit unseren östlichen Nachbarn zu sprechen. Viele Partner in Ost- und Mitteleuropa sehen Russland heute sehr kritisch – und die deutsche Außenpolitik muss die Ängste unserer Nachbarn ernst nehmen. Neben Angeboten des Dialogs sind daher klare deutsche Positionen gegenüber Moskau wichtig, um Vertrauen in Osteuropa zu erhalten. Die weitere Aussöhnung mit unseren osteuropäischen Nachbarn – besonders Polen – bleibt unsere große Aufgabe."
Mehr zum Thema - Albrecht Müller (Ex-Berater von Willy Brandt) zur aktuellen Lage von SPD & CDU: Versager unter sich