Die transatlantischen Beziehungen nach der Abwahl vom US-Präsidenten Donald Trump, die Lage in Venezuela nach den dortigen Wahlen und das angespannte Verhältnis der Europäischen Union (EU) zur Türkei sollen am Montag – neben anderen Themen – beim Treffen der EU-Außenminister besprochen werden.
So sollen die Chef-Diplomaten der 27 EU-Mitgliedsländer erörtern, ob gegen die Türkei wegen ihrer Politik gegenüber Griechenland und Zypern neue Sanktionen der EU verhängt werden sollen. In Athen wie Nikosia wirft man der Regierung in Ankara vor, im östlichen Mittelmeer illegal Erdgasvorkommen erkunden zu lassen. Die türkische Regierung vertritt jedoch den Standpunkt, dass die Erdgassuche für die Türkei rechtmäßig sei.
Die Außenminister werden bei ihrem Treffen keine Entscheidung treffen, sondern dies den EU-Staats- und Regierungschefs für deren Gipfeltreffen am Donnerstag überlassen. Bereits im Oktober hatten die EU-Staaten der Türkei nahegelegt, sie solle die Erkundung der umstrittenen Gewässer im östlichen Mittelmeer einstellen oder müsse mit Konsequenzen rechnen. Damals hatten sie sich darauf geeinigt, dass spätestens beim Dezember-Gipfel erneut über die Lage gesprochen und dann entschieden werden soll, wie es im Streit mit Ankara weitergeht.
Die Türkei hatte zwar ein Erkundungsschiff in den Hafen zurückgeholt und somit die Spannungen abgebaut, doch EU-Beamte und -Diplomaten sollen laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters der Meinung sein, dass allgemeine Fragen – über Libyen, Syrien, Russland und den autoritären Führungsstil im Land – die Positionen zwischen der Türkei und der EU verhärtet hätten.
So soll ein hoher EU-Beamter gegenüber Reuters gesagt haben: "Mir ist keine EU-Regierung bekannt, die die Auffassung in Frage stellt, dass die Situation schlimmer ist als im Oktober und dass die Staats- und Regierungschefs die Konsequenzen in Betracht ziehen sollten." Es wäre um eine Änderung gebeten worden, "die nicht gekommen ist".
Ähnlich äußerte sich auch EU-Ratspräsident Charles Michel in der vergangenen Woche. Bei der Ankündigung des letzten EU-Gipfels des Jahres sagte der Belgier in Bezug auf Ankara, dass die Bewertung der Entwicklungen seit Anfang Oktober nicht positiv sei. So habe es weitere einseitige Handlungen und feindselige Botschaften und Rhetorik gegeben. Er kündigte ebenfalls an, dass beim EU-Gipfel am Donnerstag über die nächsten Schritte beraten werden soll. Michel forderte Ankara zudem auf, das "Katz-und-Maus-Spiel" zu beenden, indem es zunächst Zugeständnisse anbietet, um diese dann nur wieder rückgängig zu machen.
Ende Oktober hatte der französische Präsident Emmanuel Macron das Verhalten Ankaras gegenüber Nikosia und Athen im östlichen Mittelmeer als "zutiefst aggressiv" bezeichnet. Zypern und Griechenland seien europäische Länder, sagte Macron damals. Paris unterstütze "die Souveränität Europas" und könne die Strategie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nicht hinnehmen. In einem Interview mit dem arabischen Sender Al Jazeera warf der französische Staatschef der Türkei gar "kriegerisches Verhalten" gegenüber ihren NATO-Partnern im Nahen Osten und im Mittelmeerraum" vor. So sagte Macron:
"Ich stelle fest, dass die Türkei in der Region imperialistische Neigungen hat. Und ich denke, dass diese imperialistischen Neigungen keine gute Sache für die Region sind."
Mitte November hatte Frankreich bereits Druck für einen harten Kurs gegenüber der Türkei gemacht. Rufe nach Wirtschaftssanktionen wurden laut. "Alle Optionen sind auf dem Tisch", sagte damals Europa-Staatssekretär Clément Beaune den Sendern C-News und Europe 1. Beaune sprach von möglichen Strafmaßnahmen, die einzelne Wirtschaftssektoren treffen könnten. Laut Medienberichten sollen etwa Sanktionen im Energiesektor oder in der Bankenbranche im Gespräch sein. Die bereits angeschlagene türkische Wirtschaft könnte dies hart treffen.
Ob es tatsächlich dazu kommt, hängt im großen Maße von der Regierung in Berlin ab. Deutschland hat derzeit die sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft inne und hatte gehofft, zwischen Athen und Ankara vermitteln zu können. Noch im Oktober sorgte man von Berlin aus dafür, dass neue Sanktionen gegen die Türkei zunächst auf Eis gelegt werden. Die Bundesregierung wollte den Gasstreit durch Verhandlungen beilegen. Doch als die Türkei im Oktober – nach einer Pause – die Suche nach Gas im Mittelmeer vor Zypern wieder aufgenommen hatte, sei man in Berlin verärgert gewesen.
"Das Forschungsschiff direkt nach dem Oktober-Gipfel wieder in See stechen zu lassen, wurde von den Mitgliedsstaaten, die um das Verhältnis zwischen der Türkei und Griechenland große Bemühungen an den Tag gelegt haben, nicht wohlwollend aufgenommen. Selbst der deutschen Geduld sind Grenzen gesetzt", soll ein EU-Diplomat, der mit den Vorbereitungen für den Gipfel vertraut ist, gegenüber Reuters gesagt haben.
Aus der Türkei kam am Montag eine Warnung vor einer "Instrumentalisierung" Brüssels durch Griechenland. Die Europäische Union müsse sich sobald wie möglich von ihrer "strategischen Blindheit" befreien und dürfe nicht zulassen, dass sie von Griechenland und den griechischen Zyprern als "Rammbock im östlichen Mittelmeer" benutzt werde, sagte der türksiche Präsident in einer Videobotschaft.
Es sei nicht möglich, dass die Türkei mit der längsten Küste im Mittelmeer bei den Entwicklungen in der Region Zuschauer bleibe, betonte Erdoğan. Ankara vertrete die eigenen Interessen und die der türkischen Zyprer. Die Türkei habe mehrmals zum Ausdruck gebracht, dass sie sich "Drohungen und Erpressungen" nicht beugen und Imperialismus nicht zulassen werde, sagte er weiter.
Zugleich appellierte er, der Diplomatie eine Chance einzuräumen, damit eine dauerhafte Lösung im Mittelmeer gefunden werden könne.
"Wir glauben, dass wir die Probleme im Mittelmeer nicht lösen können, indem wir uns gegenseitig ausschließen, sondern indem wir uns mit allen Akteuren der Region an einen Tisch setzen", so Erdoğan.
Er wolle nach wie vor eine Konferenz mit allen beteiligten Akteuren abhalten. "Wie erwarten von unseren Ansprechpartnern, dass sie diese Hand, die die Türkei ausgestreckt hat, nicht in der Luft hängenlässt", ergänzte der türkische Staatschef.
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