Die Brüsseler Behörde unter der Leitung von Ursula von der Leyen hätte mögliche Interessenskonflikte viel genauer prüfen müssen, erklärte Ombudsfrau Emily O'Reilly am Mittwoch nach einer Untersuchung des Falls. Nötig seien zudem schärfere Regeln. EU-Abgeordnete forderten die Kündigung des Auftrags an BlackRock.
Die Bürgerbeauftragte erklärte, hier wurde einer Firma eine Expertise angeboten, die später in die Regulierung der Geschäftsinteressen dieser Firma einfließen. Das "hätte viel kritischer von der Kommission durchleuchtet werden müssen".
Im März hatte BlackRock nach einer Ausschreibung den Auftrag der Kommission für eine Studie zu grünen und sozialen Investmentkriterien erhalten. Die US-Fondsgesellschaft – bei der der CDU-Politiker Friedrich Merz bis Anfang 2020 im deutschen Aufsichtsrat saß – verwaltet und investiert selbst Vermögenswerte in Billionenhöhe. EU-Abgeordnete hatten kritisiert, hier werde der Bock zum Gärtner gemacht. Daraufhin startete O'Reilly eine Untersuchung.
BlackRock ist nachweislich größter Anteilseigner an vielen europäischen Großbanken, darunter die Deutsche Bank, Société Générale, Unicredit, ING. Zugleich zählt das Unternehmen zu den weltweit größten Investoren in fossile Energien, wie die britische Tageszeitung Guardian recherchiert hat. Laut der Zeitung habe BlackRock bislang kein Interesse an einer Abkehr von Kohle und Öl gezeigt.
Ausgerechnet BlackRock soll nun der EU-Kommission Vorschläge unterbreiten, wie europäische Banken dazu gebracht werden können, stärker in nachhaltige Energien statt in Kohle, Gas und Öl zu investieren. Die neuen Regeln sind zentraler Bestandteil des sogenannten "Green Deal", das Prestigeprojekt von Ursula von der Leyen – und eine Billion Euro schwer.
Die Kommission hatte Kritik schon im Juni zurückgewiesen und erklärt, alle Vergaberegeln seien strikt eingehalten worden. Das Angebot von BlackRock sei inhaltlich das beste und zugleich finanziell günstig gewesen. Der Auftragswert wurde mit 280.000 Euro angegeben.
Am Mittwoch betonte ein Kommissionssprecher, die Untersuchung der Bürgerbeauftragten habe kein Fehlverhalten der Verwaltung gezeigt. "Wir begrüßen dieses Resultat. Das bestätigt, was wir im gesamten Verfahren gesagt haben: Wir haben die Regeln voll und fair angewandt."
O'Reilly hält diese Regeln allerdings nicht für ausreichend. Die Kommission solle ihre internen Richtlinien klarer fassen und auch prüfen, ob die Budgetregeln nachgebessert werden müssen. "Das Risiko von Interessenkonflikten bei der Vergabe von Aufträgen im Zusammenhang mit der EU-Politik muss viel robuster behandelt werden, sowohl im EU-Recht als auch bei den Beamten, die die Entscheidungen treffen", forderte sie. Da könne man nicht einfach eine Liste abhaken.
Sie verwies auch darauf, dass BlackRock seine Chancen für den Auftrag durch ein "außergewöhnlich niedriges finanzielles Gebot" optimiert haben könnte. Das wiederum "könnte als Versuch gesehen werden, Einfluss auf ein Investitionsfeld zu erlangen, das für seine Kunden bedeutsam ist". Hier hätte die Motivation hinterfragt werden müssen, meinte O'Reilly.
Mit Blick auf die geplanten Milliardeninvestitionen gegen die Corona- und die Klimakrise fügte sie hinzu: "Bürger müssen sicher sein, dass Aufträge, die mit EU-Geldern in Verbindung stehen, nur nach einem strikten Prüfverfahren vergeben werden. Die derzeitigen Regeln werden dieser Garantie nicht gerecht."
Der Europaabgeordnete Damien Careme forderte in einem Brief an die Kommissionschefin Ursula von der Leyen, den Auftrag an BlackRock sofort zurückzunehmen und die vorgeschlagene Regelverschärfung umzusetzen. Der Kommissionssprecher erklärte, man werde die Vorschläge O'Reillys im Detail prüfen und rechtzeitig vor der gesetzten Frist vom 31. März 2021 antworten. Im Übrigen werde man den Zwischenbericht von BlackRock veröffentlichen, sobald er vorliege.
Bei von der Leyen dürfte die Kritik alte Erinnerungen wachrufen. Als sie den Posten des EU-Kommissionschef übernahm, hatte sie gerade einen Untersuchungsausschuss im Bundestag hinter sich. Der hatte nachgewiesen, dass von der Leyen als Chefin im Verteidigungsministerium von 2013 bis 2019 ein System der Vetternwirtschaft etabliert hatte, das die Steuerzahler laut Bundesrechnungshof einen dreistelligen Millionenbetrag kostete. Profiteur war vor allem McKinsey, das weltgrößte Beratungsunternehmen.
(rt/dpa)