Das habe mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das unerträglich sei, sagte Klaus Ernst (Die Linke), Vorsitzender des Bundestags-Wirtschaftsausschusses im Gespräch mit RT Deutsch. Die Rede ist vom Vorgehen der USA und dem Druck Washingtons auf deutsche und europäische Unternehmen, die am Projekt Nord Stream 2 beteiligt sind. Die Ostsee-Pipeline ist zu 94 Prozent fertig, doch der Weiterbau ruht zunächst. Mit Sanktionsandrohungen will Washington die Fertigstellung unbedingt verhindern.
Die Schweizer Firma Allseas, die mit Spezialschiffen Rohre in der Ostsee verlegt hatte, stellte etwa die Arbeiten Ende des vergangenen Jahres ein. Der US-Kongress hatte kurz zuvor das "Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit" (Protecting Europe's Energy Security Act – PEESA) verabschiedet. Den Betreiberfirmen der Spezialschiffe drohten Sanktionen.
"So sieht eine sterbende Pipeline aus"
Im Sommer legten die USA nach – die Sanktionsliste wurde erweitert. Neben unmittelbar am Bau beteiligten Schiffen und Unternehmen waren auch solche betroffen, die diesen Technik-, Wartungs- oder Finanzdienste leisten. Nun erhöht Washington erneut den Druck auf beteiligte europäische Firmen. Vor wenigen Tagen sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur dpa:
Diese Pipeline findet nicht statt.
Demnach habe Washington mehrere Unternehmen und Personen identifiziert, denen nach dem Sanktionsgesetz gegen Nord Stream 2 erste Strafmaßnahmen drohten. Die Betroffenen würden derzeit kontaktiert und über die drohenden Sanktionen informiert. Der US-Regierungsvertreter fügte hinzu: "So sieht eine sterbende Pipeline aus."
Er betonte zugleich, "die USA wollen keine Sanktionen gegen europäische Unternehmen verhängen müssen". Washington mache Anrufe, "um sie zu warnen und ihnen Zeit zum Aussteigen zu geben". Um welche Unternehmen es sich konkret handelt, wurde nicht gesagt. Weiter erklärte er nur:
Anstatt mehr Geld in die Nord-Stream-2-Pipeline und damit zusammenhängende Aktivitäten zu stecken, wären Unternehmen besser beraten, Klauseln über höhere Gewalt anzuwenden, um ihre Beteiligung an Nord Stream 2 rückgängig zu machen.
Die Ostsee-Pipeline sei laut ihm "ein geopolitisches Projekt, das Russland dazu nutzen wird, europäische Länder zu erpressen".
Reaktionen in Berlin: "Solches Vorgehen völlig indiskutabel", "Kraftmeierei" oder "Mafia-Methoden"
Durch die zwei jeweils rund 1.200 Kilometer langen Leitungen von Nord Stream 2 sollen künftig pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland gepumpt werden. Mehrere europäische Firmen – darunter auch zwei deutsche – sind an dem Projekt beteiligt. Die Ostsee-Pipeline soll etwa 9,5 Milliarden Euro kosten und ist vor allem den USA ein Dorn im Auge. Seit Jahren laufen sie Sturm dagegen, verweisen dabei stets darauf, dass dadurch eine "zu große Abhängigkeit ihrer europäischen Partner" von russischem Gas entstehen würde. Osteuropäische Staaten wie Polen und die baltischen Länder sind ebenfalls gegen die Pipeline.
Kritiker des US-Vorgehens werfen Washington jedoch vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen. Die erneuten Drohungen und der erhöhte Druck riefen in der deutschen Wirtschaft und Politik Empörung hervor.
Unter Bündnispartnern ist ein solches Vorgehen völlig indiskutabel", sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, der dpa.
Er fügte hinzu: "Wir fordern die scheidende Administration in Washington dazu auf, die europäische Souveränität zu achten und wieder umfassend mit deutschen und europäischen Behörden zu kooperieren." Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim Post, sprach von "Kraftmeierei", der Linke-Politiker Ernst gar von "Mafia-Methoden".
Mich erinnert dieses Verhalten an die Mafia. Die Mafia geht in ein Restaurant und sagt: Wir müssen euch jetzt schützen, und wenn ihr nicht für diesen Schutz zahlt, dann hauen wir euch den Laden kurz und klein. Die Amerikaner sagen, sie schützen uns vor den Russen. Wir wollen diesen Schutz überhaupt nicht. Wir wollen ja mit den Russen Handel treiben. Wir wollen das russische Erdgas beziehen. Und dann sagen sie: Wenn ihr euch nicht schützen lassen wollt von uns, dann hauen wir eben euch den Laden kurz und klein", sagt Klaus Ernst in einem Interview mit RT Deutsch.
Die EU solle sich "mit allem Nachdruck" und durch "eigene Aktionen" zur Wehr setzen, und nicht nur protestieren, betonte der Linke-Politiker im Interview. Er fügte hinzu:
Das Gebot der Stunde sind nun eigene Sanktionen der Europäischen Union gegen dieses amerikanische Vorgehen.
"Klarer Eingriff in die europäische Souveränität"
Es gehe hier nicht nur um Erdgas, sondern um die Verteidigung der Souveränität Europas, so Ernst weiter.
Wir können uns nicht von einem anderen Staat vorschreiben lassen, wie wir unsere Energieversorgung zu gestalten haben.
Mehrere am Projekt beteiligte Unternehmen lehnten auf Anfrage von RT Deutsch einen Kommentar ab. So hieß es seitens des österreichischen Energiekonzerns OMV: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir weder politische Diskussionen noch Gerüchte kommentieren." Man beobachte "die politische Situation und die Entwicklungen genau", hieß es weiter.
Lediglich der Energiekonzern Uniper, einer der fünf Finanzpartner des Projekts, teilte mit:
Uniper stellt mit Bedauern fest, dass die USA weiterhin versuchen, mit Nord Stream 2 ein wichtiges Infrastrukturprojekt zu untergraben, das unserer Meinung nach für die Energiesicherheit Europas notwendig ist.
Dies sei ein klarer Eingriff in die europäische Souveränität. Deutschland habe die politische Unterstützung für Nord Stream 2 angesichts seiner Rolle für die Versorgungssicherheit bekräftigt.
Der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea, der ebenfalls am Projekt beteiligt ist, geht davon aus, dass Nord Stream 2 zu Ende gebaut wird. Das Unternehmen sei zuversichtlich, dass die Pipeline fertiggestellt werde, sagte Wintershall Dea-Chef Mario Mehren am Montag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Leitung sei wichtig für die Versorgungssicherheit in Europa. Sein Konzern sei bislang auch nicht von den Sanktionsdrohungen betroffen.
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