Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat die EU aufgefordert, ihr Versprechenzu halten und der Türkei eine Vollmitgliedschaft zu gewähren. Die Beitrittsgespräche sind vor langem ins Stocken geraten, während Ankara mehrfach mit den Mitgliedern der Union aneinandergeraten ist. Erdoğan wandte sich am Sonntag in einer Videokonferenz an die Mitglieder seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AK):
Wir verstehen uns als untrennbarer Teil Europas. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns offenen Angriffen auf unser Land und unsere Nation sowie verschleierten Ungerechtigkeiten und Doppelmoral beugen.
Der türkische Präsident appellierte zudem an die EU, ihre Versprechen einzuhalten und das Land letztendlich zu einem vollwertigen Mitglied des Staatenverbundes zu machen. Die Erklärung griff die Äußerungen Erdoğans vom Samstag auf, als er behauptete, die Türkei wolle ihre "Zukunft mit Europa aufbauen". Er betonte:
Wir fordern die EU auf, eine engere Verbindung mit uns zu schaffen, um ihr Versprechen einer Vollmitgliedschaft der Türkei zu halten.
Angesichts der sich allmählich verschlechternden Beziehungen zwischen Ankara und Brüssel und der offenen Feindseligkeiten zwischen der Türkei und bestimmten EU-Mitgliedsstaaten, scheint Erdoğans Aufruf jedoch weit von der Realität entfernt zu sein.
Das Ende der 1980er-Jahre von Ankara lancierte EU-Beitrittsgesuch des Landes wurde in den ersten Jahren von Erdoğans Herrschaft neu vorangetrieben. Dennoch geriet der Prozess ins Stocken, da das Land die Anforderungen Brüssels, insbesondere in den Bereichen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, nicht erfüllt.
Die jüngsten Aktivitäten der Türkei im östlichen Mittelmeer, wo sie Gewässer erforscht, die auch Griechenland und Zypern für die Öl- und Gasförderung beanspruchen, belasten die bereits angeschlagenen Beziehungen zur EU weiter. Anfang November warnte der Chef der EU-Außenpolitik, Josep Borrell, ausdrücklich davor, dass die Rhetorik und das Verhalten der Türkei ihre Trennung von der Union vertieft habe.
Erdoğan war zudem in einen bitteren persönlichen Streit mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu geraten. Führende Politiker in Frankreich verschärften ihre Rhetorik gegenüber Ankara und gelobten nach der jüngsten Serie tödlicher Terroranschläge, den islamischen Extremismus im Land zu beseitigen. Unterdessen kritisierte der türkische Präsident wiederholt seinen französischen Amtskollegen, stellte dessen geistige Gesundheit für seine Haltung zum Islam infrage und rief seine Landsleute offen zum Boykott französischer Waren auf.
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