Verschiedene Medien berichteten jüngst, in der Schweiz stünden die Intensivstationen kurz vor der Überlastung. Daher drohe nun die sogenannte Triage. Gemeint ist damit das Verfahren zur Priorisierung medizinischer Hilfeleistung – also die Auswahl, wer behandelt wird und wer nicht (von franz. trier: also sortieren, aussuchen, auslesen). Wie die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) nun auf Anfrage von RT Deutsch mitteilte, sei dies so jedoch nicht zutreffend. Auch eine entsprechende Stellungnahme der SGI vom 17. November präzisiere hier bereits.
Der Hintergrund ist folgender: Die Schweiz verfügt landesweit über insgesamt 876 sogenannte "von der SGI zertifizierte und anerkannte" Intensivbetten. Intensivbetten sind aufwändig ausgerüstete Plätze mit dazugehörigen Mess- und Beatmungsgeräten, Monitoren und Anschlüssen. Um deren Qualität zu gewährleisten, vergibt die SGI Zertifikate. Gegenüber RT Deutsch formulierte sie es so:
Zertifizierte und anerkannte Intensivbetten gewährleisten höchste intensivmedizinische Behandlungsqualität.
Zwar sei die Kapazitätsgrenze der zertifizierten Intensivbetten nun in der Tat erreicht, doch könnten die Kapazitäten "in außergewöhnlichen Situationen durch 'Ad Hoc'-Betten, die nicht zertifiziert oder anerkannt sind, erweitert werden". Gemeint sind zusätzliche Betten und Geräte, etwa der Armee, die aber eben nicht offiziell als Intensivbetten zertifiziert sind. Bezieht man diese in die Berechnung ein, verfügt die Schweiz nach Informationen des Koordinierten Sanitätsdienstes (KSD) aktuell (19. November) nicht über 876, sondern über 1.149 Intensivbetten. Die SGI gibt jedoch zu bedenken:
Da in der Intensivmedizin die Ressourcen – allen voran die personellen – begrenzt sind, können die intensivmedizinischen Bettenkapazitäten nicht erweitert werden, ohne dass ab einem gewissen Punkt mit Einbußen in der Behandlungsqualität gerechnet werden muss.
902 der insgesamt 1.149 sind aktuell belegt, 247 verbleiben in Reserve. Dies entspricht einer Auslastung von 78,5 Prozent. Bei 534 der 902 belegten Intensivbetten handelt es sich um COVID-19-Patienten. Das entspricht einem Anteil von 59,2 Prozent. Insgesamt lässt sich also sagen, dass die Situation auf den schweizerischen Intensivstationen durchaus als angespannt bezeichnet werden kann. Von einer unmittelbar bevorstehenden Überlastung, wie sie von einigen Medien bereits heraufbeschworen wurde, kann jedoch aktuell keine Rede sein.
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