Wegen eines Streits um Geschichte und Sprache blockiert nun Sofia den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Bulgariens Außenministerin Ekaterina Sachariewa erklärte am Dienstag in Sofia nach einer EU-Videokonferenz auf Ministerebene:
Bulgarien kann auf dieser Etappe den Entwurf eines Verhandlungsrahmens mit der Republik Nordmazedonien nicht unterstützen.
Demnach seien drei von Sofia gestellte Bedingungen von Skopje nicht eingehalten worden, so Sachariewa weiter.
Bereits vor mehr als einem Jahr hatten Frankreich, die Niederlande und Dänemark den erhofften Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien blockiert. Vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron pochte damals auf eine grundsätzliche Reform des Beitrittsprozesses. Ende März machte Brüssel dann doch noch den Weg frei für Verhandlungen. Nun stellt sich aber Sofia quer.
Bulgarien sieht Nordmazedonien nicht bereit für die EU
Bulgarien bemängelt nun, dass Skopje einen 2017 unterzeichneten bilateralen Vertrag nicht einhält. Deswegen besteht Sofia darauf, dass die Einhaltung dieses Vertrages im Verhandlungsrahmen festgeschrieben werden soll.
Sofia sei "immer offen", die Gespräche mit Skopje fortzusetzen und Lösungen zu finden, betonte Sachariewa. Wenn Verhandlungen geführt werden, sind zwei Seiten notwendig", so die bulgarische Ministerin.
Sachariewa hatte zuvor im bulgarischen Staatsfernsehen gesagt, dass die Republik Nordmazedonien dann einen Platz in der Europäischen Union habe werden, wenn sie vorbereitet sei.
Zu diesem Zeitpunkt befindet Bulgarien, dass sie nicht vorbereitet ist.
Bei dem Streit zwischen den beiden Nachbarländern auf dem Balkan geht es um die teils gemeinsame Geschichte, wobei Bulgarien einen "Diebstahl von Geschichte" seitens Nordmazedoniens beklagt. Zudem weigert sich Bulgarien, die mazedonische Sprache als eigenständig anzuerkennen, da Sofia sie für einen bulgarischen Dialekt hält. Außerdem besteht Bulgarien darauf, dass der neue Name "Republik Nordmazedonien" in seiner vollen Länge benutzt wird, weil Nordmazedonien der Teil des geografischen Gebiets Mazedonien sei, der Teil von Bulgarien sei.
Das Veto aus Bulgarien dürfte zu einer erneuten Enttäuschung in Nordmazedonien führen. Im Herbst letzten Jahres brach im Land und auch in der gesamten Region eine Diskussionswelle los. Viele führten auf, welch schmerzhafte Reformen das Land mit rund zwei Millionen Einwohnern hinter sich gebracht hatte – etwa im Bereich der Wirtschaft. Vor allem aber wurde darauf verwiesen, dass die prowestliche Regierung in Skopje den Namensstreit mit Griechenland gegen erhebliche Widerstände im eigenen Land beigelegt hatte.
Skopjes Überzeugung: Nach dem NATO-Beitritt 2020 sollten nun die EU-Beitrittsverhandlungen starten
Sie ermöglichte die Namensänderung: Aus Mazedonien wurde Nordmazedonien. Athen pochte auf eine Umbenennung, weil eine nordgriechische Provinz ebenso heißt. Über Jahre blockierte Griechenland deshalb das nördliche Nachbarland etwa bei seiner Integration in die EU und die NATO. Nach der Beilegung des Streits und der Namensänderung wurde Nordmazedonien im März 2020 in die transatlantische Militärallianz aufgenommen. Präsident Stevo Pendarovski sprach von einem "historischen Erfolg" für sein Land. Nach nunmehr knapp 30 Jahren Unabhängigkeit sei die Sicherheit und Zukunft seines Landes gesichert. Danach wähnte sich Skopje auch auf einem sicheren EU-Weg.
Durch die Blockade im Herbst 2019 und der gescheiterten Aufnahme der EU-Beitrittsgespräche kam es aber zu einer Regierungskrise im Land. Wenige Monate später war auch Ministerpräsident Zoran Zaev zurückgetreten. Der Sozialdemokrat fuhr danach bei den Parlamentswahlen im Sommer einen knappen Sieg ein.
Über das Bulgarien-Veto sagte Zaev, es sei die "größte Niederlage für die EU" und eine "große Ungerechtigkeit". In einem Interview mit dem Fernsehsender 21 erklärte er, dass für ihn die einzige Erklärung dieser Entscheidung Sofias darin liegt, dass in Bulgarien bald Wahlen anstehen. Zaev betonte aber, dass die Gespräche zwischen Skopje und Sofia dennoch fortgesetzt werden.
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