Das Virus SARS-CoV-2 soll in Italien bereits Monate vor seinem ersten offiziellen Nachweis im Umlauf gewesen sein. Dies geht aus den Ergebnissen einer Studie aus Mailand hervor. Die Resultate könnten nun neue Fragen über den wahren Ursprung, das Ausmaß und die tatsächliche Dauer der laufenden COVID-19-Pandemie aufwerfen.
Die neue Studie des Mailänder Krebsinstituts und der Universität Siena wurde vor wenigen Tagen in der Fachzeitschrift Tumori Journal veröffentlicht.
Jeder zehnte Proband wies Antikörper auf
Im Rahmen des Forschungsprojekts "SMILE", bei dem es um die Erforschung und Prävention von Lungentumoren ging, wurden seit dem Herbst 2019 Daten von Probanden gesammelt. Dazu gehörten auch Blutproben.
Zwischen September 2019 und März 2020 wurden insgesamt 959 Freiwillige einem Lungenkrebs-Screeningtest unterzogen. Es handelte sich dabei um starke Raucher im Alter zwischen 55 und 75 Jahren. Bei der Untersuchung hatten die Forscher nicht nur eine Spiral-Computertomografie der Lungen durchgeführt, sondern auch das Blut der Teilnehmer untersucht.
Als im Frühjahr 2020 im Zuge der COVID-19-Pandemie ein Lockdown in Italien verhängt wurde, kam es zu einem vorläufigen Stopp der Studie.
Während unsere Forschung pausierte, haben wir uns nochmals die Röntgenaufnahmen der Lungen angesehen", sagte Studienleiter Umberto Pastorino der italienischen Tageszeitung Il Fatto Quotidiano. "Auf einigen Aufnahmen waren leichte Verletzungen zu sehen, wie man sie bei COVID-Patienten hat."
Die Wissenschaftler hatten deshalb nochmals die Blutproben serologisch getestet. Bei mehr als elf Prozent der getesteten Personen – insgesamt 111 Personen – stellte sich heraus, dass sie Coronavirus-spezifische Antikörper aufwiesen. Davon 23 Prozent bereits im September 2019 und 27 Prozent im Oktober. Demnach hatten sie bereits eine Infektion mit dem Virus überstanden und mussten sich dementsprechend auch in den Monaten zuvor infiziert haben. Das würde darauf hindeuten, dass das Virus bereits im Sommer vergangenen Jahres – etwa sechs Monate vor dem offiziellen "Beginn" und "Erreichen" der Pandemie in Italien – tatsächlich im Land kursierte. 53,2 Prozent aller positiven Proben stammen aus der Lombardei, wo es im Frühjahr besonders viele Corona-Fälle gegeben hatte.
Bisher gilt: Erster im Labor bestätigter Fall von SARS-CoV-2 in Italien im Februar 2020
Die ersten beiden Corona-Fälle in Italien wurden offiziell am 30. Januar 2020 registriert, als zwei Touristen aus China in Rom positiv auf das Virus SARS-CoV-2 getestet wurden. Der erste im Labor bestätigte italienische Fall von SARS-CoV-2 wurde am 20. Februar 2020 in der Lombardei bei einem 38-jährigen Mann festgestellt, der weder in Italien noch im Ausland in der Vergangenheit mit positiven Fällen in Kontakt gekommen war.
Innerhalb weniger Tage wurden weitere Fälle von positiv Getesteten und auch kritisch kranken Patienten in der Umgebung registriert. In kürzester Zeit wurden danach mehrere weitere Fälle in anderen italienischen Regionen, vor allem im Norden, festgestellt.
Eine andere Studie, die von italienischen Wissenschaftlern im Juni veröffentlicht wurde, zeigte, dass bereits im vergangenen Dezember Spuren des Coronavirus im Abwasser gefunden wurden.
Ähnliche Befunde wurden auch von Wissenschaftlern aus anderen Ländern erhoben. Spanische Forscher haben etwa behauptet, dass sie Spuren des Coronavirus in Abwasserproben im März 2019 gefunden hätten.
Auch in den USA hatte eine Analyse von Krankenhausakten von Ende 2019 eine ungewöhnlich hohe Zahl von "Grippepatienten" ergeben, von denen viele unter starkem "Husten" und anderen schweren Atemwegssymptomen litten.
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