Nach den Äußerungen des Bundesaußenministers Heiko Maas am 7. Oktober im Bundestag zum Fall Alexei Nawalny hat das russische Außenministerium am Samstag die deutschen Behörden erneut dazu aufgerufen, eine "enge, offene und faire Zusammenarbeit" mit Russland in die Wege zu leiten. Die diplomatische Behörde in Moskau nannte die Anschuldigungen gegen Russland wegen des angeblichen Giftanschlags auf den Oppositionellen eine nicht nachlassende propagandistische Attacke.
In seiner Erklärung wies das russische Außenministerium darauf hin, dass alle in Russland vorhandenen Chemiewaffen bis zum 27. September 2017 unter der striktesten internationalen Kontrolle vernichtet worden waren. Diese Tatsache war am 11. Oktober desselben Jahres vom Generaldirektor des Technischen Sekretariats der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) bestätigt worden.
Die russischen Diplomaten verwiesen ferner darauf, dass die Struktur und das Massenspektrum des im Westen als "Nowitschok" bekannten Nervengifts erstmals im Jahr 1998 in der Datenbank des American National Standards Institute (ANSI) präsentiert worden waren. Die Institution hatte diese Informationen von einem Forschungszentrum des US-Verteidigungsministeriums erhalten. Nach Angaben des russischen Außenministeriums sollen neben den USA mindestens 20 westliche Länder mit der Substanz gearbeitet haben:
Deswegen ist 'Nowitschok' eine rein westliche Marke. Es wird synthetisiert und ist in diesen Ländern in etwa 140 Varianten erhältlich. Wir haben es nicht.
Ferner erinnerte das russische Außenministerium daran, dass in den in Russland analysierten Bioproben von Nawalny keine Nowitschok-Spuren entdeckt worden waren. Um eine Strafsache im Fall des Oppositionellen anzustrengen, müsse es nach Angaben der Behörde eine Bestätigung des verbrecherischen Tatbestands geben:
Damit die entsprechenden Verfahren eingeleitet werden können, sind Befunde von Proben des Patienten notwendig, die seine Vergiftung bestätigen. Die deutsche Seite weigert sich, uns diese zu übergeben. Eine Anzeige wegen eines mutmaßlichen Verbrechens, die der Betroffene selbst oder sein rechtlicher Vertreter erstatten kann, ist dafür unzureichend. Auf ihrer Grundlage wird eine Voruntersuchung durchgeführt.
Das Außenministerium in Moskau teilte mit, dass die russische Staatsanwaltschaft schon vier Rechtshilfeersuchen an die zuständigen Behörden in Deutschland geschickt und bislang keine Antwort darauf bekommen hat. Es sei unter anderem zu klären, wie die angeblich mit Nowitschok kontaminierte Wasserflasche aus Russland nach Deutschland befördert wurde. Es sei außerdem notwendig, Nawalnys Begleiterin Maria Pewtschich zu befragen und die Informationen aufzuklären, wonach eine Bombendrohung am Flughafen Omsk zum Zeitpunkt der Notlandung der Maschine mit Nawalny von einem Server in Deutschland abgeschickt worden war.
Die deutsche Seite muss sich trotz ihrer hartnäckigen Zurückhaltung erklären. Die uns zuvor gegebenen Ausreden werden nicht akzeptiert. Sie überzeugen nicht.
Das russische Außenministerium forderte erneut eine rechtliche und technische Hilfe auf der bilateralen Ebene und auf Ebene der OPCW, um alle Umstände des Falls Nawalny zu klären.
Wir sind sehr daran interessiert, wer hinter dieser von Anfang an inszenierten antirussischen Provokation steckt. Als Antwort erhalten wir eine aggressive Rhetorik und direkte Manipulation von Fakten.
Der oppositionelle Politiker und Blogger Nawalny war am 20. August auf einem Inlandsflug in Russland ins Koma gefallen. Zunächst wurde er in einem Krankenhaus in Omsk behandelt. Die Ärzte stellten bei ihm eine Stoffwechselstörung fest und konnten keine Giftsubstanzen in seinem Körper nachweisen. Anschließend wurde Nawalny auf Drängen seiner Familie und Anhänger in die Berliner Universitätsklinik Charité verlegt. Ein Speziallabor der Bundeswehr stellte anschließend bei einer toxikologischen Untersuchung von Nawalnys Proben einen Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe fest. Dieses Ergebnis wurde von zwei weiteren Speziallaboren in Frankreich und Schweden bestätigt, ebenso von der OPCW.
Mehr zum Thema - Botschafter: Berlin pocht auf Aufklärung und verweigert gleichzeitig Kooperation mit Moskau