Die Außenminister der Europäischen Union (EU) fühlten sich heute durch zwei Krisensituationen außerhalb der EU zu einem Treffen genötigt: Zum einen durch die Lage in Weißrussland, wo Demonstrationen gegen den Präsidenten Alexander Lukaschenko fortdauern, zum anderen durch den Bürgerkrieg in Libyen, wo beide gegnerischen Seiten, sowohl die sogenannte Einheitsregierung von Fayiz as-Sarradsch im Westen Libyens als auch die Armee von Chalifa Haftar im Osten Libyens – trotz eines geltenden Waffenembargos – von verschiedenen Seiten mit Kriegsmaterial versorgt werden.
Zypern blockiert weiterhin ein Embargo Weißrusslands
Für Empörung Russlands und Weißrusslands sorgte ein Treffen der Außenminister der EU-Staaten mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Russland verurteilte den Empfang der Gegnerin von Staatschef Alexander Lukaschenko als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Weißrusslands.
Angesichts der Lage in Republik Belarus (Weißrussland) läuft das dem Ziel zuwider, die Stabilität wiederherzustellen", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa.
"Unser Land hat es mit einem beispiellosen Druck von außen zu tun", sagte Regierungschef Roman Golowtschenko. Der Westen versuche, das Land ins "Chaos" zu stürzen. Aus dem Außenministerium hieß es, der Empfang sei eine Missachtung des belarussischen Volkes, das Lukaschenko am 9. August mit großer Mehrheit wiedergewählt habe.
Die EU wies die Vorwürfe scharf zurück. Bei dem Frühstück mit Tichanowskaja am Montagmorgen sei es um Demokratie und Menschenrechte gegangen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. "Dies kann nicht als Eingriff in innere Angelegenheiten angesehen werden." Zudem machten mehrere Außenminister deutlich, dass sie bereit seien, den Kurs gegen Minsk noch einmal zu verschärfen.
Bundesaußenminister Heiko Maas sprach sich dafür aus, auch Sanktionen gegen Lukaschenko persönlich zu prüfen. Man müsse sich nun die Frage stellen, ob Lukaschenko als Hauptverantwortlicher nicht auch auf die Sanktionsliste kommen solle, sagte der SPD-Politiker in Brüssel.
Allerdings blieb unklar, wann die EU die schon seit Wochen geplanten Strafmaßnahmen überhaupt beschließen kann. Grund ist ein Veto des kleinen EU-Landes Zyperns, das damit parallel die anderen Mitgliedsstaaten zur Unterstützung neuer Sanktionen auch gegen die Türkei bewegen will.
Zypern und Griechenland fordern von der EU schon seit langem, schärfer auf die von ihnen als illegal betrachteten türkischen Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer zu reagieren. Andere EU-Staaten sind der Ansicht, dass dies laufende Vermittlungsbemühungen erschweren könnte. Sie wollen deswegen noch abwarten, bevor sie neuen Türkei-Sanktionen zustimmen.
Zypern zeigte sich darüber am Montag erneut verärgert.
Unsere Reaktion auf Verstöße gegen unsere zentralen Grundwerte und Prinzipien kann nicht à la carte sein. Sie muss konsistent sein", sagte Außenminister Nikos Christodoulidis zur EU-Politik.
Die für die EU höchst unangenehme Blockierung durch Zypern könnte die bereits seit Längerem laufende Debatte um eine mögliche Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips bei Sanktionsbeschlüssen neu befeuern. Länder wie Deutschland haben sich grundsätzlich offen für einen solchen Schritt gezeigt – aber es bleibt unklar, wie weit der gehen könnte.
So dürften es Länder wie Zypern ablehnen, dass Sanktionsbeschlüsse wegen Menschenrechtsverstößen künftig etwa keine Einstimmigkeit mehr erfordern sollten, dagegen solche wegen Verletzungen der nationalen Souveränität von EU-Staaten aber doch. Die geplanten Sanktionen gegen Belarus sollen rund 40 Personen treffen, denen eine Beteiligung an Wahlfälschungen oder an der gewaltsamen Niederschlagung von friedlichen Protesten vorgeworfen wird – darunter auch den Innenminister.
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Verstöße gegen das Waffenembargo für Libyen werden sanktioniert
Erste Sanktionen gibt es jedoch für Länder, die sich in den Libyen-Konflikt einmischen und gegen das Libyen-Waffenembargo verstoßen. Die Außenminister der Mitgliedsstaaten fassten am Montag in Brüssel einstimmig einen entsprechenden Beschluss, wie Diplomaten berichteten. Die Strafmaßnahmen richten sich gegen Unternehmen und einzelne Personen, die Schiffe, Flugzeuge oder andere Logistik für den Transport von Kriegsmaterial bereitgestellt haben. Konkret geht es nach Angaben aus EU-Kreisen um drei Firmen aus der Türkei, Jordanien und Kasachstan sowie um zwei Personen aus Libyen.
Die beschlossenen Sanktionen umfassen Reise- und Vermögenssperren. Zudem dürfen europäische Unternehmen mit den betroffenen Unternehmen und Personen keine Geschäfte mehr machen.
Die Vereinten Nationen werfen vor allem Jordanien, der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) vor, den Libyen-Konflikt mit Waffenlieferungen und Söldnern anzuheizen. Beim Libyen-Gipfel hatten sich zumindest die Türkei und die VAE verpflichtet, das Embargo einzuhalten. Nach UN-Angaben wurden die Lieferungen aber unvermindert fortgesetzt.
Erst vor knapp zwei Wochen stoppte die Besatzung einer im Mittelmeer patrouillierenden deutschen Fregatte ein aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kommendes Tankschiff, das vermutlich für Militärflugzeuge bestimmtes Kerosin geladen hatte. Die Bundeswehr beteiligt sich mit der Fregatte "Hamburg" seit August an der EU-Operation Irini (EUNAVFOR MED IRINI). Neben Waffen soll der Einsatz auch das Schmuggeln von Öl und Kraftstoff verhindern.
Auf die jetzt beschlossenen Sanktionen hatte vor allem Frankreich gedrungen, nachdem eine französische Fregatte von einem türkischen Kriegsschiff daran gehindert worden war, ein verdächtiges Frachtschiff zu kontrollieren. Nach französischer Darstellung richtete das Kriegsschiff sogar sein Feuerleitradar auf die Fregatte. Da solche Systeme in der Regel nur benutzt werden, um Zieldaten für den Gebrauch von Waffensystemen zu liefern, war dies von Frankreich als "extrem aggressiv" gewertet worden.
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