Den fünften Sonntag in Folge sind in der weißrussischen Hauptstadt Minsk erneut Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Regierung des Präsidenten Alexander Lukaschenko zu protestieren. Diesmal versammelten sich die Protestteilnehmer nicht nur im Zentrum der Stadt, eine Kolonne begab sich auch in den Elitebezirk Drosdy, in dem sich die Residenz des Staatschefs befindet. Während des Protestzugs unter dem Motto "Marsch der Helden" skandierten die Menschen Parolen wie "Wir sind hier die Macht!", "Das ist unsere Stadt!" und "Geh weg!".
Die Nachrichtenagentur Interfax schätzte die Zahl der Teilnehmer auf insgesamt 150.000 Menschen. Die Polizei gab dagegen viel niedrigere Zahlen an. Nach Angaben von Augenzeugen gab es unter den Demonstranten viele Menschen mit Kindern, an einigen Orten wurden an die Protestler Wasser und Nahrungsmittel verteilt.
Die Polizei bereitete sich im Vorfeld auf die nicht genehmigten Aktionen. Der Platz der Unabhängigkeit umstellt und mit Metallgittern abgeriegelt. Ein ähnliches Bild bot sich am Palast der Republik.
Auch einige U-Bahn-Stationen im Stadtzentrum wurden aus Sicherheitsgründen geschlossen. Smartphone-Nutzer berichteten von Problemen mit dem mobilen Internet. In vielen Seitenstraßen standen Sicherheitskräfte und Gefangenentransporter. Es kam auch zu Festnahmen. Bis 19 Uhr Ortszeit wurden mehr als 400 Menschen festgenommen.
Das Innenministerium bestätigte, dass ein Beamter mit seiner Pumpgun einen Warnschuss in die Luft abgegeben hatte, nachdem eine Menschenmenge versucht hatte, ein paar Festgenommene zu befreien. Gleichzeitig dementierte eine Polizeisprecherin am Sonntagabend Medienberichte über einen angeblichen Einsatz von Blendgranaten. Meldungen über mögliche Verletzte lagen zunächst nicht vor.
Auch in anderen Städten des Landes gab es Proteste, darunter in Witebsk und in Grodno. Die Polizei sprach von landesweit 17 Orten an denen Protestaktivitäten stattfanden. Nachdem eine Menschenmenge in Brest eine Straße blockiert hatte, musste die Polizei mit einem Wasserwerfer durchgreifen.
Für diesen Montag ist ein Treffen zwischen dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko und seinem russischen Kollegen Wladimir Putin in Sotschi am Schwarzen Meer geplant. Ebenfalls am Montag wird eine gemeinsame russisch-weißrussische Militärübung beginnen. Für das planmäßige Manöver "Slawische Brüderschaft 2020" schickt Russland auf einen Übungsplatz bei Brest ungefähr 300 Armeeangehörige und 70 Kampffahrzeuge. Die Übung wird am 25. September zu Ende gehen.
Mehr zum Thema - Wenn Weißrussland fällt, ist Russland dran – Lukaschenko im Interview mit russischen Medien