Ibiza-Affäre bleibt diffus: Hintergründe weiter unklar, Erpressungsvorwürfe stehen im Raum

Schleppende Aufklärung in der Ibiza-Affäre: Die Zusammenstellung der veröffentlichten Videos hat "Geschmäckle", die Lockvögel sind verschwunden und die Drahtzieher weiter im Dunkeln. Strache vermutet zudem, sein damaliger Parteikollege Gudenus sei beteiligt gewesen.

Die sogenannte Ibiza-Affäre, in deren Gefolge im vergangenen Jahr in Österreich die Regierung stürzte, ist noch immer nicht ganz aufgeklärt. Hauptbetroffener Heinz-Christian Strache darf sich im Moment eher bestätigt sehen. Denn die Veröffentlichung von Abschriften weiterer Videominuten entlastet ihn. Demnach scheint er trotz mehrmaligen Drängens der beiden Lockvögel immer wieder darauf Wert gelegt zu haben, nichts Unredliches machen zu wollen. "No way, mach ich nicht. Und bei mir nur gerade Geschichten, ganz gerade Geschichten", ist unter anderem zu lesen.

Bei der Veröffentlichung waren jedoch ausschließlich solche Videoaufzeichnungen ausgewählt worden, die eher "belastend" wirken mussten. "Entlastende" Passagen enthielt die der Öffentlichkeit präsentierte Zusammenstellung nicht. Tatsächlich hatte der Spiegel in einem Artikel, der sowohl online als auch in der Printausgabe veröffentlicht wurde, bereits im Mai 2019 auch viele jener Passagen abgedruckt, die eher für Straches Rechtschaffenheit sprechen. Wie der Spiegel auf RT-Anfrage mitteilte, seien die Aussagen "aus dem sogenannten Ibizavideo, über die Straches Rechtsanwalt und mehrere Medien berichten", daher "nicht neu".

Inwieweit die in dem ansonsten sehr ausführlichen Artikel in zwei Absätzen konzentrierten entlastenden Strache-Aussagen tatsächlich zur Darstellung eines ehrlichen Gesamtbildes beitrugen, muss der subjektiven Bewertung überlassen werden. Tatsache bleibt: Es waren die veröffentlichten Videoausschnitte, die damals "viral" gingen und letztlich zu Straches Rücktritt und dem Fall der österreichischen Regierung führten.

Auf die Frage von RT, warum sich der Spiegel bei der Videoveröffentlichung auf "belastende" Ausschnitte beschränkt hatte, verwies dieser auf das "öffentliche Interesse":

Dieses öffentliche Interesse ist in Deutschland Voraussetzung dafür, dass Video- und Tonaufnahmen, die ohne Wissen der Beteiligten erstellt worden sind, publik gemacht werden dürfen. Das Video in seiner vollen Länge hätte der SPIEGEL nicht veröffentlichen dürfen, die ausgewählten Ausschnitte aber schon, wie mehrere Strafverfolgungsbehörden festgestellt haben.

Dies erklärt zwar, warum das Video nicht in seiner Gesamtheit gezeigt wurde, lässt die Frage nach der vorgenommenen Auswahl jedoch unbeantwortet – es sei denn, man würde im Umkehrschluss argumentieren, dass die "entlastenden" Passagen nicht von "öffentlichem Interesse" gewesen seien. Das wiederum erschließt sich nicht, zumal nach allem Dafürhalten davon ausgegangen werden musste, dass die schließlich veröffentlichte Zusammenstellung ein politisches Erdbeben zur Folge haben würde – welches ansonsten nach aller Wahrscheinlichkeit so wohl nicht stattgefunden hätte.

Die Frage nach den eigentlichen Drahtziehern für diese dem damaligen FPÖ-Politiker auf Ibiza offenbar ganz bewusst gestellte Falle bleibt indes weiterhin offen. Seitens des Spiegel wollte man gegenüber RT "aus Gründen des Quellenschutzes" keine Andeutungen darüber machen, wie und wo man in den Besitz des gesamten Materials gelangt war. Nach dem "Lockvogel-Pärchen" wird mittlerweile international gefahndet. Strache selbst spricht im RT-Interview von einer "mafiösen kriminellen Struktur". Er stelle sich zudem die Frage, ob "der ein oder andere Geheimdienst vielleicht involviert" war.

Des Weiteren erhebt Strache schwere Vorwürfe gegen seinen damaligen Parteikollegen Johann Gudenus, der mit ihm gemeinsam der Einladung in die Finca gefolgt war. Gudenus hätte bereits zuvor Kontakte mit der falschen Oligarchennichte und deren Begleiter gehabt und das Treffen eingefädelt. Strache selbst hätte dagegen erst auf Ibiza und durch Gudenus von der Einladung erfahren.

Mehr oder weniger offen deutet Strache an, dass Gudenus nach seiner Auffassung nicht – anders als er selbst – Opfer der Täuschung, sondern am Auslegen der Falle direkt beteiligt gewesen sein könnte. So habe Gudenus – der für wesentliche Teile des Treffens als Dolmetscher fungierte – das Lockvogel-Pärchen beispielsweise auf Russisch gefragt, ob es jetzt alles hätte, was es bräuchte.

Strache bezieht sich in diesem Zusammenhang auch auf Berichte, wonach Gudenus Drogen konsumiert habe. Nach Informationen der österreichischen Ermittlungsbehörden sei Gudenus bei Gesprächen im Vorfeld des Ibiza-Videos beim zweimaligen Kokainkonsum gefilmt worden. Der Vorwurf der Erpressung steht im Raum. Gudenus bestreitet dies. Zu Straches Aussagen, er selbst sei über das Treffen in der Finca im Vorfeld nicht informiert gewesen, äußert sich Gudenus gegenüber der Wiener Zeitung:

Ich denke, dass er [Strache] unter anderem deshalb nicht darüber glücklich ist, dass das Ibiza-Video aufgetaucht ist, weil dann sein falsches Konstrukt, ich hätte an der Falle mitgewirkt, zusammenbricht, und auch er endlich einsehen und zugestehen müsste, dass wir beide in die Falle gelockt wurden.

Während einige Medien mittlerweile das Videomaterial sichten konnten, liegt es dem vom Nationalrat eingerichteten Untersuchungsausschuss bislang nicht vor. Wie auf der Onlineplattform vienna.at zu lesen ist, bezeichnete Jan Krainer, SPÖ-Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, dies als einen "Skandal". Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im Ausschuss, ging sogar noch weiter und äußerte nach Informationen der Plattform die Vermutung, dass Behörden den Medien wichtige Beweismittel zusteckten – unter "wohlwollender Beobachtung" des Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP).

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