Merkel: EU-Staaten werden Wahlergebnis in Weißrussland nicht anerkennen

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten werden das Ergebnis der Präsidentenwahl in Weißrussland nicht anerkennen, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch nach einem Sondergipfel. Die Abstimmung sei weder fair noch frei gewesen.

Es gebe keinen Zweifel daran, dass es massive Regelverstöße bei der Wahl gegeben habe, sagte die CDU-Politikerin nach rund dreistündiger Beratung mit ihren Kollegen. Auch EU-Ratschef Charles Michel bestätigte diese Entscheidung. Merkel stellte klar:

Wir stehen an der Seite der friedlich Demonstrierenden.

Außerdem fügte die Bundeskanzlerin hinzu: 

Für uns ist vollkommen klar: Weißrussland muss seinen Weg für sich alleine finden. Es muss über Dialog gehen innerhalb des Landes und es darf keine Einmischung von außen geben.

"Wir verurteilen die brutale Gewalt gegen Menschen", stellte Merkel fest. Alle Festgenommenen müssten bedingungslos freigelassen werden. Zudem setze man sich – wie von der Opposition gefordert – für einen nationalen Dialog ein. 

Für die per Videokonferenz geführten Gespräche der Staats- und Regierungschefs war in Brüssel extra die politische Sommerpause unterbrochen worden. Als Reaktion auf die Polizeigewalt bei Demonstrationen hatten die Außenminister der EU-Staaten bereits vergangene Woche Sanktionen gegen Unterstützer Lukaschenkos auf den Weg gebracht. 

Seit der Präsidentenwahl am 9. August gibt es in Weißrussland Massenproteste gegen Lukaschenko. Vor allem zu Beginn reagierte die Polizei mit Gewalt gegen weitgehend friedliche Demonstranten. Noch kurz vor dem Sondergipfel hatte die Opposition die EU dazu aufgefordert, die Wiederwahl Lukaschenkos nicht anzuerkennen. Die Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja sagte in einer Videobotschaft am Mittwoch: "Verehrte Anführer Europas, ich rufe Sie dazu auf, das Aufwachen von Weißrussland zu unterstützen".

Lukaschenko selbst forderte die EU-Staaten hingegen dazu auf, sich mit ihren eigenen Problemen zu befassen. Am Mittwochvormittag hatte er auf einer Sitzung des Sicherheitsrates mehrere westliche Staaten für ihre Haltung gegenüber seinem Land kritisiert. Er beschuldigte sie unter anderem, Proteste zu finanzieren:

Westliche Staaten sprechen bereits direkt, unverhohlen, offen davon, Mittel zu sammeln und sie nach Weißrussland zu schicken. Wir sehen das. Natürlich können wir nicht allen Mitteln, die hier eintreffen, auf die Spur kommen. Denn sehr viele Mittel treffen in bar ein.

Lukaschenko wies darauf hin, dass der Westen ihm zwar Verhandlungen anbiete. Gleichzeitig wolle der Westen dennoch seinen Kopf durchsetzen. Der Präsident riet mehreren westlichen Regierungen dazu, sich ihren eigenen Problemen zu widmen, anstatt den Zeigefinger zu erheben:

Bevor sie auf uns mit dem Finger zeigen, würde ich ihnen einfach empfehlen, die Probleme der 'Gelbwesten' in Frankreich und der fürchterlichen Krawalle in den USA auf die Tagesordnung ihrer Beratungen zu setzen. Ich möchte, dass sie allem voran die Proteste gegen Corona-Einschränkungen in Deutschland und in anderen Ländern Europas erörtern.

Der weißrussische Präsident betonte, dass alle Veränderungen in seinem Land im rechtlichen Rahmen erfolgen sollten, anderenfalls würde es schwere Auswirkungen für die Republik geben. Dabei erwähnte Lukaschenko, die Arbeit an Verfassungsänderungen würde fortgesetzt. Zugleich teilte der Politiker mit, dass seine Regierung nicht allein stehe. Er verwies auf landesweite Demonstrationen zu seiner Unterstützung, an denen nach offiziellen Angaben etwa 100.000 Menschen teilgenommen haben sollen. Die Macht im Land sei nicht ins Wanken geraten, so Lukaschenko.

Russlands Außenminister Sergei Lawrow hatte zuvor in einem Interview mit dem TV-Sender Rossija gesagt, dass der Westen gerade dabei ist, interne Probleme in Weißrussland zur Einmischung in dessen Innenpolitik auszunutzen. Moskau sei besorgt über solche Versuche. Auch zuvor habe es solche Vorhaben gegeben, beispielsweise in der Ukraine: 

Niemand macht einen Hehl daraus, dass hier von Geopolitik die Rede ist, über den Kampf um den postsowjetischen Raum. Wir haben diesen Kampf auch in den früheren Entwicklungsphasen der Lage nach dem Ende der Sowjetunion gesehen. Das letzte Beispiel ist selbstredend die Ukraine.

Der Diplomat fügte hinzu, es gäbe in Weißrussland eine Verfassung und entsprechende Verfahren, die man unbedingt in Gang setzen müsse, um die Ergebnisse des Wahlprozesses in einem bestimmten Wahllokal oder auch allgemein infrage zu stellen.

Dass die Wahlen in der Republik "nicht perfekt" waren, sieht Lawrow ein. Er riet jedoch ab, die aktuelle Lage in Weißrussland auszunutzen, um einen normalen Dialog zwischen den Behörden und der Gesellschaft zu untergraben.

Mehr zum ThemaKrise in Weißrussland: Auch die Linke fordert Sanktionen