EU einigt sich auf Sanktionen gegen Weißrussland

Die EU hat sich am Freitag auf Sanktionen gegen Weißrussland geeinigt. Begründet werden die Strafmaßnahmen mit der Polizeigewalt gegenüber Demonstranten, die seit Sonntag gegen die aus ihrer Sicht gefälschten Präsidentschaftswahlen protestieren.

Man wolle als Europäische Union den Druck auf Belarus deutlich erhöhen, hatte Bundesaußenminister Heiko Maas bereits zum Auftakt der Beratungen am Freitag erklärt. Es gehe darum, ganz gezielt einzelne Personen zu sanktionieren, die in den letzten Tagen und Wochen bei Wahlfälschungen, aber auch bei der Gewalt gegen Demonstranten unrühmlich in Erscheinung getreten seien.

Mindestens sechs weitere EU-Staaten sind im Großen und Ganzen dafür. Während Österreich, Schweden und Deutschland das die Sanktionen deutlich befürworten, haben Polen, die Tschechische Republik, Dänemark und die baltischen Staaten zudem eine Vermittlung zwischen Lukaschenko und der Opposition gefordert.

"Nicht in die Arme Russlands treiben"

Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg meinte vor dem Videotreffen der EU-Außenminister, man sei äußerst besorgt über die Situation. Sanktionen wolle er jedoch erst verhängen, wenn die weißrussischen Behörden die Gewalt nicht einstellen und keine Dialogbereitschaft zeigen, um das Land nicht in "Russlands Einflusszone" zu treiben. Auf der Pressekonferenz mit US-Außenminister Mike Pompeo sagte er:

Wir wollen sie (die Weißrussen) nicht in die russische Hemisphäre zurückdrängen. Und sie waren in der Vergangenheit zum Beispiel bei Nationen wie der Ukraine hilfreich (offenbar ist die Vermittlerrolle Weißrusslands beim Minsker Prozess gemeint – Anm. der Red). Wir wünschen uns also ein Weißrussland, das, wie Sie wissen, unseren Weg in Bezug auf Normen und Werte geht. Wir sind uns alle einig, dass diese Abstimmung und diese Wahl alles andere als fair und frei war."

Schwarze Listen

Der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz sagte, die EU-Beamten würden nun an einer schwarzen Liste belarussischer Personen arbeiten, die am Wahlprozess beteiligt und für die Gewalt verantwortlich sind. Warschau mahnt eher zur Vermittlung, da es eine Wiederholung der Ereignisse 2013/2014 in Kiew verhindern möchte, die von der EU und den Vereinigten Staaten unterstützt wurden und langfristige Folgen haben.

"Wir... müssen ein sorgfältiges Gleichgewicht zwischen dem Druck auf und dem Engagement gegen den belarussischen Präsidenten Lukaschenko finden. Wir glauben, dass die EU so bald wie möglich die Rolle eines Vermittlers übernehmen sollte", sagte er auch in einem gemeinsamen Brief mit fünf anderen Kollegen, der von Reuters vor den Gesprächen der 27 gesehen wurde.

Ungarn ist der führende Skeptiker in Bezug auf Sanktionen, für die eine Einstimmigkeit aller EU-Länder erforderlich ist. Laut diplomatischer Quellen würde Budapest wahrscheinlich einer begrenzten Liste von Personen zustimmen, denen die Einreise in die EU verwehrt wird und die ihr dort befindliches Vermögen verlieren würden, und zwar schon Ende dieses Monats - für EU-Standards schnell.

Ob auch Lukaschenko persönlich mit Sanktionen rechnen muss, blieb zunächst offen. Die Entscheidung über den betroffenen Personenkreis werde der Rat treffen, sagte Maas. Den Personen müssten "nachweisbar Verfehlungen zur Last gelegt werden können". Wichtig sei, dass es zu einem Dialog komme, das Wahlergebnis überprüft werde und alle Festgenommenen wieder freikämen.

Die EU hatte zuletzt im Februar 2016 zahlreiche Sanktionen gegen den Machtapparat von Lukaschenko auslaufen lassen. Lediglich ein bestehendes Waffenembargo sowie Strafmaßnahmen gegen vier Weißrussen, die am Verschwinden von Regime-Gegnern beteiligt sein sollen, wurden zuletzt noch aufrechterhalten.

Kranzniederlegung für das erste "Opfer"

Am 13. August besuchten Botschafter mehrerer EU-Staaten die improvisierte Gedenkstätte an der U-Bahn-Station Puschkinskaja in Minsk, wo ein Protestler starb. Der Leiter der EU-Delegation Dirk Schuebel wandte sich mit einer kurzen Ansprache an die Zuhörer und wies darauf hin, dass er über die "Todesfälle" betrübt sei, die sich bereits in Belarus ereignet hätten. Er forderte im Namen der Delegation auch die Freilassung der Gefangenen. Das Publikum reagierte auf seine Worte mit stehenden Ovationen.

Inzwischen ist der Name des Verstorbenen bekannt geworden. Alexander Taraikowski starb am 10. August bei einer Protestaktion in der Puschkinskaja-Straße. Dem Innenministerium zufolge starb er, als in seiner Hand eine selbst gebaute Granate explodierte, die er angeblich in Richtung Polizei werfen wollte. Bislang konnte diese Version von einer unabhängigen Stelle weder bestätigt noch widerlegt werden.

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Reaktion in Russland

In Russland wurden erste Rufe nach einer Vermittlerrolle Moskaus laut. Der russisch-belarussische Handelsrat forderte ein Ende des "sinnlosen Blutvergießens und der Gewalt gegen friedliche Bürger". Es müsse ein Komitee zur nationalen Rettung aus Intellektuellen und Vertretern der Wirtschaft gebildet werden. Russland und Weißrussland bilden einen sogenannten Unionsstaat, die Integration kommt jedoch nur schleppend voran.

Auch eine Reihe russischer Abgeordneter der Staatsduma kritisierten die weißrussischen Wahlen als manipuliert. Angesichts der Polizeigewalt riefen 13 Abgeordnete der Regionalräte die russische Regierung auf, sich für ein Ende der Polizeigewalt einzusetzen und zwischen Lukaschenko und der Opposition zu vermitteln. Russlands Präsident Wladimir Putin gratulierte dem weißrussischen Präsidenten am Montag zum Wahlsieg und äußerte seine Hoffnung, dass dieser sich künftig aktiv für die Integration beider Länder im Staatenbund einsetzen wird.

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(dpa/rt/reuters)