Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur BelTA sollen weißrussische Strafverfolgungsbehörden Informationen über die Ankunft von mehr als 200 Kämpfern erhalten haben, die das Ziel hätten, "die Lage während des Wahlkampfs in Weißrussland zu destabilisieren". Die 33 festgenommenen Männer, die alle russische Staatsbürger sein sollen, ließen sich nach Angaben der Nachrichtenagentur zuerst in einem Hotel in Minsk nieder und zogen dann in eine Kuranstalt in der Region Minsk um. Die Gruppe soll mit einem "für russische Touristen untypischen Verhalten und monotoner Kleidung im Militärstil" auf sich aufmerksam gemacht haben. Die Männer sollen das Gelände und die Umgebung der Kuranstalt in kleinen Gruppen sorgfältig untersucht haben. Mittlerweile wurde eine Liste mit den Namen der Festgenommenen veröffentlicht. Der weißrussische Untersuchungsausschuss nahm Ermittlungen auf.
Die russische Botschaft in Minsk schrieb am Mittwoch auf Twitter, russische Diplomaten seien von den weißrussischen Behörden nicht offiziell über die Festnahme informiert worden. "Wir haben die zuständigen Behörden von Weißrussland um offizielle Informationen gebeten", fügte die Botschaft hinzu.
In einem im weißrussischen Fernsehen gezeigten Video einer Überwachungskamera ist zu sehen, wie eine Gruppe von Männern mit Sporttaschen durch einen Korridor läuft. Dabei handelt es sich vermutlich um ein Hotel. In einer anderen Sequenz wird die nächtliche Erstürmung der Unterkünfte durch bewaffnete Sondereinheiten gezeigt. Die Festgenommenen werden aus ihren Betten gezerrt und zu Boden gedrückt. Auf den Tischen befinden sich Pässe, Handys, 100-Dollar-Scheine sowie ein Zettel mit arabischen Schriftzeichen – allem Anschein nach ein Gebet. Die Aufnahmen wurden von weißrussischen Sicherheitsorganen zur Verfügung gestellt. Ein Telegram-Kanal hat unter den gezeigten Objekten zudem sudanesische Pfund und eine sudanesische SIM-Karte ausfindig machen können.
Der Telegram-Kanal Wargonzo, geführt vom Kriegsreporter Semjon Pegow, schreibt unter Berufung auf Quellen bei den russischen Sicherheitsdiensten, dass Minsk von den Kämpfern als Umschlagplatz für den Transfer in andere, meist afrikanische Länder genutzt wird. Minsk habe im Gegensatz zu Russland keine Flugeinschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie verhängt. Auf Telegram und Facebook wurde sonst auf ähnliche Meldungen über Destablisierungsversuche kurz vor früheren Präsidentschaftswahlen in Weißrussland erinnert. Sie stellten sich später als unwahr heraus.
Mittlerweile tauchen im Netz Einzelheiten zu einem Großteil der festgenommenen Personen auf. Viele von ihnen sind als ehemalige Kämpfer im Donbass auf dem ukrainischen Hetzportal "Mirotworez" gelistet. Der bekannte russische Schriftsteller und Fernsehpublizist Sachar Prilepin bestätigte auf seinem Facebook-Konto, dass einige Kämpfer in seinem inzwischen aufgelösten Bataillon bei der Donezker Volkswehr als Freiwillige gedient haben. Es sei bekannt, dass viele Kämpfer nach Syrien oder in andere Länder reisen, in denen Krieg herrscht.
Die Tatsache, dass sich drei Dutzend Männer in Tarnkleidung auf dem Weg irgendwohin befinden, ist weißrussischen Sicherheitskräften sicherlich bestens bekannt. Ich weiß nicht, warum sie das alles jetzt veranstalten. Ich hoffe, das Problem wird bald gelöst", schreibt Prilepin.
Am 9. August finden in Weißrussland Präsidentschaftswahlen statt. Alexander Lukaschenko, der seit dem Jahr 1994 das Land regiert, will sich zum sechsten Mal zum Präsidenten wählen lassen. Der Wahlkampf wird von Festnahmen von Oppositionspolitikern und Aktivisten sowie von nicht genehmigten Protesten in Minsk und anderen Städten des Landes begleitet. Die Europäische Union forderte wiederholt die Freilassung der Gefangenen und faire Wahlen.
Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat sich inzwischen zu dem Vorfall geäußert. Während einer Sitzung sagte er, man müsse bei den entsprechenden Organen der Russischen Föderation unverzüglich um Auskunft zum Sinn und Zweck des Verbleibs der russischen Staatsbürger bitten. Eine Bitte hatte er auch an die russischen Medien.
Wir müssen an die russischen Medien appellieren, auch an die Telegram-Kanäle, damit sie keinen Unsinn erzählen, wie Putin sagt. Wenn Sie schuld sind, müssen Sie mit Würde aus dieser Situation herauskommen. Nicht schuldig – dann gibt es auch für uns kein Bestreben, ein uns nahestehendes Land zu diffamieren", sagte der Präsident.
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