Die Folgen der Übergriffe türkischer Ultra-Nationalisten auf kurdische und linke Demonstranten in Wien bekommen jetzt österreichische Politiker zu spüren. So seien Drohungen gegen Innenminister Karl Nehammer und Integrationsministerin Susanne Raab (beide ÖVP) ausgesprochen worden. Diese werden nun rund um die Uhr von der Spezialeinheit "Cobra" der österreichischen Polizei bewacht. Der Verfassungsschutz hatte dies nach Einschätzung der Gefahrenlage empfohlen. "Wir lassen uns nicht durch diese Drohungen einschüchtern", betonte Raab. Innenminister Nehammer meinte , für ihn beginne damit ein neues und unangenehmes Leben. Aber die österreichische Regierung lasse sich nicht von potenziellen Gewalttätern einschüchtern.
Vergangene Woche war es zu gewaltsamen Angriffen türkischer Extremisten auf Teilnehmer von Demonstrationen gekommen. Beteiligt waren auch Anhänger der sogenannten "Grauen Wölfe", einer als rechtsextrem eingeschätzten Bewegung. Die Polizei geriet zwischen die Fronten. Insgesamt sind sieben Polizisten sowie ein Polizeidiensthund bei den Demonstrationen verletzt worden.
Die Aufgabe der Polizei habe anfangs insbesondere darin bestanden, Polizistinnen und Polizisten sowie Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmer vor massiven Angriffen unter anderem mit Pyrotechnik und Eisenstangen zu schützen. Dabei sei es zu elf Festnahmen, 57 Anzeigen und 220 Identitätsfeststellungen gekommen. "Wir haben umfangreiches Bildmaterial, mit deren Auswertung wir jede Tat konsequent verfolgen werden", kündigte Nehammer im Nachgang an.
"Diejenigen, die glauben, dass ein Mund-Nasen-Schutz sie vor einer Identifikation bewahrt, die irren sich." Die Behörden verfügten über ausgezeichnetes Videomaterial. Einer der mutmaßlichen Rädelsführer sei bereits identifiziert.
Bei einer Pressekonferenz am Montag mit Integrationsministerin Susanne Raab und dem Wiener Landespolizeivizepräsidenten Franz Eigner bezeichnete Innenminister Nehammer die Ereignisse als "völlig inakzeptabel".
Wir lassen nicht zu, dass türkische Konflikte auf österreichischem Territorium ausgetragen werden.
Er habe daher das Bundesamt sowie das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung mit Ermittlungen beauftragt, die sich intensiv darum kümmern, wer die Hintermänner dieser Demonstrationen waren.
Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) warf der Türkei am Dienstag vor, "Unfrieden zu säen". Es müsse ein Ende haben, "dass die Türkei versucht, auf die Menschen hier in Österreich Einfluss zu nehmen und diese auch für ihre Konflikte instrumentalisiert", sagte Kurz vor Journalisten.
Die türkische Seite sprach dagegen mit Blick auf den Einsatz der Polizei von "Anwendung von Gewalt gegen türkische junge Menschen". Das wies Kurz "auf das Schärfste" zurück. "Wir werden das nicht dulden", sagte Kurz. "Diese Konflikte, die werden aus der Türkei importiert."
Die Ereignisse haben auch einen diplomatischen Schlagabtausch zwischen Österreich und der Türkei ausgelöst. Die beiden Länder beschuldigen sich gegenseitig, unangemessen auf die gewalttätigen Zusammenstöße in der vergangenen Woche in Wien reagiert zu haben, und luden am Montag wechselseitig die Botschafter vor. Ankara hatte die Demo in Wien kritisiert, welche sich gegen das militärische Vorgehen der Türkei in kurdischen Gebieten richtete, und meinte, die verbotene PKK habe sich daran beteiligt. Das österreichische Außenministerium hingegen verwahrte sich dagegen, Demonstranten als Unterstützer von Terrororganisationen zu bezeichnen. Das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit sei in Österreich ein hohes Gut.
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