Kurz vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft haben Merkel und Macron Einigkeit bei der Bewältigung der Corona-Krise demonstriert. Im Ringen um ein Programm für den wirtschaftlichen Wiederaufbau wolle man gemeinsam einen Beitrag dazu leisten, "dass wir einen positiven Impuls in die richtige Richtung für die europäische Zukunft geben", sagte die Bundeskanzlerin am Montag bei einem Treffen mit Macron auf Schloss Meseberg bei Berlin. Der französische Präsident forderte eine Einigung auf das Programm bereits im Juli.
Dies ist unsere oberste Priorität.
Macron und Merkel hatten im Mai einen Hilfsfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro vorgeschlagen, um die europäische Wirtschaft aus der Corona-Krise zu bringen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen präsentierte anschließend einen schuldenfinanzierten Wiederaufbauplan mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro. Davon sollen 500 Milliarden Euro als Zuschüsse und 250 Milliarden als Kredite an EU-Staaten vergeben werden. Verhandelt wird der Plan zusammen mit dem nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen, für den die Kommission 1,1 Billionen Euro ansetzt.
Merkel und Macron werben unter den anderen EU-Mitgliedsstaaten für diesen Plan. Die Kanzlerin betonte die Bedeutung des deutsch-französischen Zusammenhalts in dieser und in anderen Fragen.
Wenn Deutschland und Frankreich einig sind, ist nicht Europa sich einig. Aber wenn Deutschland und Frankreich sich uneinig sind, dann ist es mit der Einigkeit Europas nicht besonders gut bestellt.
Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark – die "Sparsamen Vier" – lehnen Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen, jedoch ab. Merkel warnte vor einer Verwässerung des Programms. "Für mich ist wichtig, dass wir zum Schluss mit einem starken Instrument aus der Debatte kommen", sagte die CDU-Politikerin. Natürlich werde es Änderungen am Vorschlag der EU-Kommission geben. "Aber es muss ein Fonds bleiben, der hilft, der wirklich auch den Ländern hilft, die sonst drohen, von der Krise sehr viel stärker betroffen zu sein."
Auch Macron betonte:
Es ist wichtig, dass der Wiederaufbaufonds Wirkung zeigt.
Im Zentrum stünden Haushaltszuschüsse, denn diese zeigten Wirkungen auf die sehr stark von der Corona-Krise betroffenen Volkswirtschaften. Darlehen und Kredite erhöhten nur die Verschuldung und hätten wenig Auswirkungen.
Während die Kanzlerin die Betonung auf die Hilfe insbesondere für jene Länder legte, die sich ansonsten von der Krise nur schwer erholen könnten, sprach ihr ehemaliger Protegé in Brüssel und Wunschkandidat für den Posten als EU-Kommissionspräsidenten, Manfred Weber (CSU), eine ganz andere Sprache.
Der CSU-Politiker und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament sagte der Rheinischen Post, dass die Corona-Hilfen der Europäischen Union an klare Bedingungen geknüpft sind. Es gebe Richtlinien für die Verteilung des Hilfspakets im Umfang von 750 Milliarden Euro. "Wir werden die Gelder nur freigeben, wenn die Mitgliedsstaaten im Inneren reformbereit sind und das Geld für Zukunftsinvestitionen ausgeben", meinte Weber.
Kein gemeinsamer Vorschlag für Finanzrahmen
Wohl auch wegen der inneren Auseinandersetzungen im EU-Parlament um den sogenannten "Wiederaufbaufonds" wollten Merkel und Macron keinen gemeinsamen Vorschlag für den Finanzrahmen bis 2027 vorlegen. Das überlassen sie dem EU-Ratspräsidenten Charles Michel. Die nächste Gelegenheit für eine Einigung auf beide Finanzfragen ist der EU-Gipfel Mitte Juli in Brüssel.
Die Bundesregierung würde gerne bei diesem Gipfel mit einem Kompromiss den Grundstein für eine erfolgreiche Präsidentschaft legen, der ersten seit 13 Jahren. Für Merkel ist es etwa ein Jahr vor dem Ende ihrer Amtszeit noch einmal eine Chance, sich als große Europäerin in die Geschichtsbücher einzutragen. Mit ihrem Agieren während der Euro-Krise und bei der Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge 2015 hatte sie sich den Vorwurf eingehandelt, Europa auseinanderzudividieren.
Macrons Besuch war der erste eines ausländischen Staatschefs bei der Kanzlerin seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Zuletzt war der portugiesische Ministerpräsident António Costa am 11. März bei ihr im Kanzleramt. Seitdem gab es nur noch Videokonferenzen und Telefonate. Auslandsreisen hat die Kanzlerin im Gegensatz zu Bundesaußenminister Heiko Maas bis heute nicht wieder unternommen. Zuletzt schlug sie eine Einladung des US-Präsidenten Donald Trump für einen G7-Gipfel in Washington aus.
Die Erwartungen an die deutsche Präsidentschaft sind hoch. Neben den Finanzfragen gilt es auch, den Brexit zu regeln und bei den Themen Klimaschutz und Digitalisierung voranzukommen.
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(rt/dpa)