Europa

Die etwas andere Corona-Maßnahme: EU-Militärausgaben sollen gegen Kürzungen "geimpft" werden

Die aufgrund des Coronavirus eingeleiteten Maßnahmen stellen die EU vor immense Herausforderungen. Milliardenschwere Hilfsprogramme sollen die schlimmsten wirtschaftlichen Folgen abfedern. Derweil warnten die EU-Verteidigungsminister davor, die "Sicherheitsrisiken" nicht aus den Augen zu verlieren.
Die etwas andere Corona-Maßnahme: EU-Militärausgaben sollen gegen Kürzungen "geimpft" werdenQuelle: Reuters © Vincent Kessler

Zuletzt wiesen Experten darauf hin, dass sich die europäische Gemeinschaft auf die schwerste Rezession seit der großen Depression einstellen müsse. Auch der EU-Chefdiplomat stimmte in den Chor der Mahner ein – allerdings setzte er einen gänzlich anderen Akzent.

Wie Josep Borrell am Mittwoch erklärte, sollten sich die EU-Mitgliedsstaaten davor hüten, angesichts des wirtschaftlichen Drucks, der von der Corona-Krise ausgehe, ihre Verteidigungsausgaben zu vernachlässigen. COVID-19, so die Argumentation, werde sich nicht nur ökonomisch auswirken, sondern die Europäische Union auch mit gänzlich neuen und unvorhergesehenen Sicherheitsrisiken konfrontieren. Corona als Lackmustest für die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Nach einem Treffen der EU-Verteidigungsminister gab Borrell zu Protokoll, dass die Ausbreitung des Coronavirus "mit großer Wahrscheinlichkeit das Sicherheitsumfeld in den kommenden Jahren verschlechtern" werde.

COVID-19, mahnte der EU-Außenbeauftragte, habe "eine neue Bedrohung mit sich gebracht". Es handele sich um "einen neuen Faktor, der Ressourcen erfordert", der "ein stärkeres Europa in der Welt erfordert", erklärte Borrell.

Welchen Charakter die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen aufgrund von COVID-19 konkret aufweisen, war jedoch nicht Teil von Borrells Ausführungen.

Wie dem auch sei: Trotz der derzeitigen Betonung von enormen Konjunkturplänen ermahnte der EU-Chefdiplomat die EU-Mitgliedsstaaten, die notwendige Finanzierung für "Europas Sicherheit und Verteidigung" zu sichern.

Es ist besonders enttäuschend, wenn man bedenkt, dass sich die Verteidigungshaushalte erst vor kurzem von dem finanziellen Schock vor zehn Jahren erholt haben", erklärte Borrell nach einer Videokonferenz, an der die EU-Verteidigungsminister, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sowie Beamte der Vereinten Nationen und der Europäischen Kommission teilnahmen.

Bereits im Vorfeld der hochkarätigen transatlantischen Zusammenkunft, hatten demnach Beamte der EU und der Mitgliedsstaaten betont, "dass die militärische Zusammenarbeit technologische Fortschritte in Bereichen wie chemische und biologische Kriegsführung, einschließlich Hi-Tech, resistenter Kleidung und Krisenreaktionsmechanismen, fördern könnte".

Mit einem schwammigen Bezug auf COVID-19 schaltete sich auch der kroatische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Zdravko Jakop in die Diskussion ein. Laut Jakop, der den Vorsitz des EU-Ministertreffens führte, sind "die Sicherheitsrisiken (...) mit der Pandemie nicht verschwunden". Jetzt gehe es darum, diese von ihm nicht näher benannten "Risiken" nicht aus den Augen zu verlieren. Dazu sei es geboten, Verteidigungsinitiativen wie die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) und den Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) fortzusetzen.

Entsprechende Initiativen, einschließlich gemeinsamer militärischer Projekte zur Krisenreaktion und hybrider Bedrohungen im Rahmen der PESCO, seien demzufolge eine geeignete Basis "für die Verbesserung der Zusammenarbeit und die Entwicklung operativer Fähigkeiten für eine schnelle und effektive Reaktion auf die Krise", erklärte Jakop.

Die mahnenden Worte der EU-Spitzenpolitiker erfolgten im Kontext der neuen Entwürfe für den Siebenjahreshaushalt der EU (2021–2027), die von der Europäischen Kommission voraussichtlich am 20. Mai vorgelegt werden. Die Gespräche über den langfristigen Haushalt der EU sind demnach seit über einem Jahr blockiert. Der Plan, Anfang 2020 ein Abkommen zu verabschieden, wurde durch die Corona-Krise lediglich zusätzlich durchkreuzt.

Kürzungen im Entwurf des EU-Verteidigungshaushalts wurden bereits geraume Zeit vor der Corona-Krise erwogen. Obwohl die Verteidigungsausgaben der EU-Mitgliedsstaaten erhöht werden sollen, äußerten EU-Beamte wiederholt Bedenken, dass die im Raum stehenden Budgetkürzungen "die Ambitionen der EU untergraben würden, ihre militärische Abhängigkeit von den USA zu verringern". Nicht wegen, sondern trotz Corona, geht es nun also offensichtlich darum, den Weg zu mehr europäischer Autonomie in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht zu verlassen.

Mit dem Ziel, durch den Abbau physischer, rechtlicher und regulatorischer Barrieren einen reibungslosen Transport militärischer Ausrüstung innerhalb der EU als Reaktion auf Krisen zu gewährleisten, wurde der Bereich der militärischen Mobilität bisher als eine der wichtigsten Verteidigungsinitiativen der EU mit wenigen politischen Meinungsverschiedenheiten innerhalb des gesamten Blocks gewürdigt", heißt es dazu auf der Nachrichtenseite Euractiv.

Dem derzeitigen Haushaltsvorschlag nach zu urteilen, würde der Europäische Verteidigungsfonds für die gemeinsame militärische Planung, Mittelverwendung und Verlegung von Einheiten von 13 Milliarden Euro auf etwa sechs Milliarden Euro rund halbiert.

In Anbetracht der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise und der Pläne der EU für ein Billionen Euro schweres Konjunkturprogramm könnte das Verteidigungsbudget im nächsten Haushalt noch tiefere Einschnitte erfahren.

Daher richteten bereits April acht EU-Verteidigungsexperten einen Appell an die politischen Entscheidungsträger der EU und forderten diese dazu auf, "die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, anstatt die Mittel zu kürzen, um Geld für die wirtschaftliche Reaktion auf die Coronavirus-Krise freizusetzen".

Tatsächlich wird COVID-19 die anhaltende Verschlechterung des internationalen Sicherheitsumfelds, das die europäische Sicherheit und die europäischen Interessen bedroht, nicht aufhalten oder abschwächen. Im Gegenteil, es wird die Welt wahrscheinlich noch instabiler und unsicherer machen", schrieben die aus Spanien, Italien, Großbritannien, Frankreich und Litauen stammenden EU-Experten.

In Anbetracht der Tatsache, dass die EU-Regierungen milliardenschwere Konjunkturprogramme auflegten und notwendige Kürzungen in ihre Ausgabenpläne einkalkulierten, "sollten die Verteidigungshaushalte sofort gegen starke Einschnitte 'geimpft' werden, bevor die ersten Anzeichen von Sparmaßnahmen zu erkennen sind", argumentierten sie.

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