Eine der Folgen der vielerorts als nicht verhältnismäßig eingestuften Maßnahmen um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, sind deren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen. Vor wenigen Tagen warnten die EU-Granden bereits vor einer Rezession historischen Ausmaßes. Die Anzahl derjenigen, deren Existenzgrundlage aufgrund der Einschränkungen zerstört wird, dürfte in absehbarer Zukunft die Anzahl der Corona-Infizierten bei Weitem in den Schatten stellen.
Angesichts der wenig vielversprechenden wirtschaftlichen Aussichten für Millionen von EU-Bürgern, riefen Vertreter Spaniens, Portugals und Italiens nun zur Entwicklung eines "Systems zur Schaffung eines Europäischen Grundeinkommens" auf. Die Initiative beinhaltete einen "Aufruf zur Solidarität, als Mittel, um die Krise zu minimieren", die demnach "durch das neue Coronavirus, COVID-19, hervorgerufen" worden sei.
Eine sicherlich zu kurz greifende Analyse der sozioökonomischen Faktoren, die zur aktuellen Situation diverser Volkswirtschaften der Eurozone führten.
Das am Freitag in der Onlinepublikation Público veröffentlichte Schreiben wurde von der portugiesischen Ministerin für Arbeit, Solidarität und soziale Sicherheit, Ana Mendes Godinho, dem Vize-Präsidenten der spanischen Regierung und verantwortlichen Minister für soziale Rechte und die Agenda 2030, Pablo Iglesias, und der italienischen Ministerin für Arbeit und Sozialpolitik, Nunzia Catalfo, unterzeichnet.
Wir müssen sicherstellen, dass allen Menschen die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse garantiert wird. Deshalb brauchen wir ein gemeinsames Mindesteinkommenssystem, um Armut und soziale Ausgrenzung aus einer ehrgeizigen und integrierten Perspektive zu bekämpfen", so die Staats- und Regierungschefs in ihrem Artikel namens 'Auf dem Weg zu einem europäischen Mindesteinkommen'.
Demnach benötige die Europäische Union "einen gemeinsamen Rahmen für ein Mindesteinkommen, der nicht auf das Überlebensniveau oder die Armutsquote, die auf der Grundlage des europäischen Durchschnittseinkommens berechnet wird, beschränkt" sei, sondern vielmehr "einen rechtlich verbindlichen Rahmen" darstelle, der es allen Mitgliedsstaaten ermögliche, ein Mindesteinkommen festzulegen, "das angemessen und an den Lebensstandard und die Lebensweise des jeweiligen Landes angepasst ist", heißt es in dem Antrag der drei EU-Staaten.
Wir unterstützen den Ansatz zur Bewältigung dieser Krise, der auf der Tatsache beruht, dass niemand zurückgelassen wird und dass den schwächsten Gruppen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wir befürworten daher die Einrichtung einer Initiative zur Unterstützung der allgemeinen Einführung menschenwürdiger und angemessener Mindesteinkommenssysteme in allen Mitgliedsstaaten", erklärten die Regierungsvertreter.
Die drei Minister betonen in ihrem Appell, dass die EU aufgrund der Corona-Krise derzeit vor der "größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg" stehe. Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Krise, heißt es in dem Schreiben, "beginnen sich auf nationaler und europäischer Ebene auszuwirken, mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Arbeitsmarkt, mit tief greifenden Auswirkungen auf das Leben der Bürger".
Dies ist der Zeitpunkt für die Europäische Union, in die Zukunft zu blicken und ihr Programm fortzusetzen, im Hinblick auf die Vorlage eines Aktionsplans für die Umsetzung der Europäischen Säule der sozialen Rechte und damit die Einführung eines 'europäischen Sozialschildes'", sind die Verfasser überzeugt.
Für die "schwächsten Gruppen" seien "ehrgeizige und mutige" Solidaritätsmaßnahmen notwendig, um das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung zu minimieren.
In Europa leben heute mehr als 113 Millionen Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, und 25 Millionen Kinder, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Wir müssen dringend Maßnahmen ergreifen, um eine Erhöhung dieser Zahl zu vermeiden und stattdessen zur Verringerung dieser Zahl beitragen", erklären die Unterzeichner.
Die beschriebene Situation werde durch COVID-19 noch verschärft und erfordere daher "globale und integrierte Lösungen, zusätzlich zu allen laufenden nationalen Maßnahmen".
Europa muss sich beim Thema Solidarität vereinen. Eine koordinierte europäische Antwort ist notwendig, um eine neue wirtschaftliche und soziale Krise wie die, die wir nach der Krise von 2008 erlebt haben, zu vermeiden", heißt es weiter im Text.
Als politischen und gesetzlichen Rahmen hebt der Artikel die Bedeutung der europäischen Säule der sozialen Rechte hervor, die im Jahr 2017 vom Europäischen Parlament, dem Rat und der Europäischen Kommission während des Sozialgipfels in Göteborg angenommen wurde.
Im Dokument heißt es zudem, dass jeder, der nicht über ausreichende Mittel verfüge, "Anspruch auf angemessene Mindesteinkommensleistungen hat, die einen angemessenen Lebensstandard in allen Lebensphasen sowie einen wirksamen Zugang zu unterstützenden Gütern und Dienstleistungen garantieren". Für diejenigen, die arbeiten könnten, sollten Mindesteinkommensleistungen mit Anreizen zur (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt kombiniert werden.
Die drei Unterzeichnerstaaten erinnern daran, dass Portugal mit der Einführung des garantierten Mindesteinkommens, das heute als "soziales Eingliederungseinkommen" bezeichnet wird, im Jahr 1996 ein Vorreiter bei dieser Frage gewesen sei.
Für die Europäische Union erwarten Analysten einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 7,5 Prozent. Für 2021 rechnen die Analysten im besten Fall mit einer Erholung von 6 Prozent.
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