Der ORF-Radiosender Ö1 berichtete an diesem Montag über ein internes Protokoll, das das Treffen der österreichischen Coronavirus-Taskforce im Gesundheitsministerium am 12. März wiedergeben soll. Laut diesem Protokoll soll sich Bundeskanzler Sebastian Kurz in der Sitzung dafür ausgesprochen haben, die Vorsicht der Bevölkerung mit drastischen Aussagen zu verstärken.
An der Sitzung sollen neben Gesundheitsexperten und Beamten auch Österreichs Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer teilgenommen haben, wie Ö1 berichtete.
Kurz soll bei dem Treffen bedauert haben, dass er noch keine wirkliche Sorge in der Bevölkerung spüre. Daraufhin habe ein Experte auf den Umgang Großbritanniens mit einer Masernepidemie als ein Beispiel für erfolgreiche Krisenkommunikation hingewiesen. Man habe bei dieser Kampagne erfolgreich mit der Angst der Bevölkerung gespielt.
Eine Politik der Angst?
Laut dem Protokoll habe Kurz daraufhin verdeutlicht, dass die Menschen vor einer Ansteckung Angst haben sollten oder davor, dass Eltern oder Großeltern sterben könnten. Dem hingegen sei der Bevölkerung die Angst vor einer Lebensmittelknappheit zu nehmen.
Nachdem der Inhalt des Protokolls publik wurde, behauptete ein Sprecher des Kanzleramts zunächst, dass es sich dabei um eine Fälschung handle. Doch nach dem die Echtheit des Protokolls feststand, relativierte der Sprecher die Worte des Bundeskanzlers. Kurz habe lediglich gemeint, dass er Verständnis für die Angst vor einer Ansteckung habe, nicht aber vor Lebensmittelknappheit, so der Sprecher.
Das österreichische Gesundheitsministerium will nun die Protokolle im Sinne der Transparenz anonymisiert veröffentlichen. Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte, dass Kurz wohl nur seine berechtigte Sorge zum Ausdruck gebracht habe. Die Sitzung sei zum Gedankenaustausch gedacht gewesen und nicht, um Strategien zu beschließen.
Für die Oppositionsparteien ist das Protokoll ein gefundenes Fressen. Zumal die Art und Weise, wie Kurz auf die Corona-Pandemie bisher reagiert hat, ihm einen enormen Popularitätszuwachs bescherte. Am 18. April schrieb die katholische Zeitung Die Tagespost:
Gäbe es eine Direktwahl des Regierungschefs, wäre Kurz die absolute Mehrheit sicher. Bei 44 Prozent liegt seine ÖVP in Umfragen, also 6,5 Prozent über dem Wahlergebnis im Vorjahr.
FPÖ startet Petition gegen "Corona-Wahnsinn"
Doch nun bekommt die "Erfolgsgeschichte" Risse. Die Wiener SPÖ-Landesparteisekretärin Barbara Novak erklärte in einer Pressemitteilung, dass es unwürdig und unverantwortlich sei, bewusst Angst und Verunsicherung zu schüren. Den Menschen sei die Wahrheit stets zumutbar. Ähnlich äußerte sich auch der ehemalige Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, Jörg Leichtfried, ebenfalls SPÖ:
"So geht man mit Menschen nicht um. So etwas tut man nicht."
Für die FPÖ bahnt sich ein "Skandal der Sonderklasse" an, sollten sich die kolportierten Inhalte des Protokolls als wahr herausstellen. Der FPÖ-Politiker, und ehemalige Innenminister, Herbert Kickl, erklärte: "Diese Angstmache zieht sich tatsächlich durch die Kommunikation des Kanzlers der letzten Wochen wie ein roter Faden."
Er verwies in dem Zusammenhang auf weitere Äußerungen der Regierung wie zum Beispiel "Schreckensbilder von 100.000 Toten" und "Jeder wird bald jemanden kennen, der an Corona verstorben ist". Die FPÖ kündigte eine Petition unter dem Motto "Jetzt reicht's! - Allianz gegen den Corona-Wahnsinn" an. Diese soll Bürger vereinen, die sich die von der Regierung verordneten Maßnahmen nicht mehr länger gefallen lassen wollen.
Kickl erklärte dazu, trotz der "salbungsvollen Worte" von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe die Regierung Österreich in den vergangenen sechs Wochen in einen katastrophalen Zustand mit Massenarbeitslosigkeit und Kurzarbeits-Rekorden versetzt. Die Zahlen, was die Ausbreitung der Pandemie betreffen, seien so günstig, dass man längst mit ganz einfachen Regeln der Hygiene das System im Wesentlichen wieder hochfahren könnte.
Die Regierung wolle aber bewusst Angst schüren, um hinter der Fassade des Krisenmanagements das Land umzubauen, so der FPÖ-Spitzenpolitiker. In Österreich haben sich in den vergangenen zehn Tagen jeweils weniger als 100 Menschen neu mit dem Coronavirus angesteckt. Die Zahl der COVID-19-Patienten in den Kliniken ist deutlich rückläufig. Mehr als 20.000 für diese Patienten geschaffenen Betten wurden bisher nicht gebraucht.