Bei dem neuen Einsatz "Operation Frühlingsschild" – so heißt nun offiziell die türkische Militärpräsenz in der syrischen nordwestlichen Provinz Idlib – schoss die Türkei zwei syrische Kampfflugzeuge ab. Diese sollen türkische Jets angegriffen haben. Die Angriffe seien auch Vergeltungsschläge für den Tod von 36 türkischen Soldaten in Syrien vor wenigen Tagen. Zudem habe die Türkei eine Drohne, acht Helikopter und mehr als 100 Panzer der Regierung von Präsident Baschar al-Assad zerstört, teilte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar am Sonntag mit.
Über die genaue Zahl der Todesopfer und sonstigen Verluste durch die türkischen Angriffe herrschte am Sonntag Unklarheit. Verteidigungsminister Akar zufolge seien mehr als 2.000 syrische Soldaten "außer Gefecht gesetzt worden". Einen Tag zuvor sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan in einer Rede, es seien über 300 Militärfahrzeuge zerstört worden, darunter mehr als 90 Panzer. Bei den Kämpfen hätten 2.100 syrische Soldaten ihr Leben verloren.
Das Aktivistennetzwerk "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" teilte dagegen mit, dass am Wochenende insgesamt etwa 70 Soldaten der syrischen Regierung und deren verbündeter Milizen getötet worden seien.
Bei den beiden abgeschossenen syrischen Kampfjets handelt es sich um Flugzeuge des Typs SU-24 aus russischer Produktion. Diese befanden sich im Bestand der syrischen Luftwaffe. Die Piloten konnten sich dabei retten. Als Konsequenz aus den türkischen Angriffen sperrte Damaskus den Luftraum im Nordwesten des Landes. Flugzeuge und Drohnen dürfen dort, und insbesondere über Idlib, nicht mehr fliegen, teilte die syrische Armee der Agentur SANA zufolge mit:
Jedes Flugzeug, das unseren Luftraum verletzt, wird als feindlich eingestuft und abgeschossen.
Russland garantiert keine Sicherheit für türkische Flugzeuge
Die russischen Militärvertreter sagten vor Ort, Russland könne die Sicherheit türkischer Luftfahrzeuge am Himmel Nordsyriens nicht garantieren, nachdem die Behörden des arabischen Landes diesen Luftraum geschlossen haben, sagte Konteradmiral Oleg Zhuravliov, Leiter des Zentrums für die Versöhnung der Kriegsparteien in Syrien. Er fügte hinzu:
Angesichts einer ernsthaft verschärften Situation im Luftraum über der Provinz Idlib war die syrische Regierung gezwungen, dessen Schließung anzukündigen. Unter diesen Bedingungen kann das Kommando der russischen Streitkräfte die Sicherheit türkischer Flugzeuge nicht garantieren.
Drohnenkrieg am Wochenende
Nach dem verheerenden Luftschlag der syrischen Luftstreitkräfte gegen einen Militärstab der Milizen, bei dem Dutzende türkische Militärangehörige starben, bat Russland Syrien von weiteren Luftschlägen zwecks Deeskalation abzusehen. Diese Feuerpause wurde offenbar von der türkischen Luftwaffe für ihre verlustreichen Schläge gegen die syrische Armee genutzt. Die syrische staatliche Nachrichtenagentur SANA hat den Verlust Dutzender Panzer und Militärfahrzeuge am Wochenende bestätigt. Ein Militärkorrespondent des russischen Fernsehkanals Rossija 1 Wassily Poddubny berichtete aus Idlib auch über hohe Verluste:
Sobald die türkischen Drohnen am Himmel über Idlib auftauchten, änderte sich die Art der Kämpfe dramatisch: Alle Verluste der syrischen Streitkräfte in den vergangenen Tagen waren auf Drohnenangriffe zurückzuführen. Selbst individuelle Ziele sind jetzt in Gefahr.
So erwähnte er beispielsweise einen durch einen türkischen Drohnenangriff zerstörten syrischen Militärlastwagen. Dieser transportierte Ausrüstung und Munition einer syrischen Armee-Einheit. Poddubny erklärte:
Nun sind schlagkräftige Drohnen das Hauptproblem für das syrische Militär. Die Türkei war hier nicht sparsam und es ist ein teures Vergnügen. Sie trafen auch Versorgungskonvois, trafen einzelne Ziele – Autos, Pick-ups, gepanzerte Fahrzeuge, sogar Motorradfahrer. Das syrische Militär, das an der Frontlinie steht, hat uns davon erzählt.
Nach syrischen Angaben hat die syrische Luftabwehr am Sonntag eine türkische Drohne abgeschossen. Dies ist schon die dritte Drohne des Typs ANKA, die die syrische Armee in den letzten Tagen vom Himmel geholt hat. Die Lufthoheit über die umkämpfte Provinz Idlib könnte zum entscheidenden Faktor werden, der über den militärischen Erfolg im nicht erklärten türkisch-syrischen Krieg bestimmen könnte. Mehrere hochrangige türkische und US-Vertreter forderten nach dem syrischen Luftschlag am 27. Februar die Flugverbotszone über Idlib. Erdoğans Pressechef Fahrettin Altun schrieb am Freitag auf Twitter:
Die internationale Gemeinschaft muss handeln, um Zivilisten zu schützen, und eine Flugverbotszone einrichten.
Der deutsche UN-Vertreter Christoph Heusgen forderte bei der UN-Sondersitzung zur Lage in Idlib eine sofortige Waffenruhe und betonte "volle Solidarität" mit der Türkei. Dabei wandte er sich auch gegen eine russische Unterstützung für Syrien: "Wir fordern Russland auf, die Unterstützung der Militäroffensive durch das syrische Regime zu beenden." Eine militärische Lösung in dem Konflikt sei unmöglich.
Mehrere türkische Militäreinsätze in Syrien
"Frühlingsschild" ist schon der dritte offizielle Militäreinsatz der Türkei im Nachbarland Syrien. Im Jahr 2016 hatte die Türkei mit der Offensive "Schutzschild Euphrat" in der Umgebung des syrischen Orts Dscharabulus die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) von der Grenze vertrieben, aber auch die Kurdenmiliz YPG bekämpft. Anfang 2018 hatte die türkische Armee mit von ihr unterstützten Militanten in einer Offensive gegen die YPG die kurdisch geprägte syrische Grenzregion Afrin eingenommen. Alle türkische Operationen waren aus der Sicht des Völkerrechts illegitim und wurden international stark kritisiert.
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