In den letzten Wochen teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mehrmals mit, dass das gesuchte Treffen mit seinem russischen Kollegen Anfang März stattfindet wird. Der Kreml konnte diesen Termin nicht bestätigen.
Es geht jetzt nicht um bilaterale Kontakte als solche. Die Möglichkeit eines Treffens in einem multilateralen Format wird derzeit ausgearbeitet und die Zeitpläne der Präsidenten werden jetzt abgestimmt, sagte der Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag vor Journalisten.
Infrage käme der sogenannte Vierer-Gipfel unter Teilnahme des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das erste und letzte Treffen dieser Form fand am 27. September 2018 in Istanbul statt. Ein Dreiergipfel mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani wäre auch möglich, dieser könnte Ende März stattfinden. Die Agenda und Intensität der Verhandlungen sei bei all diesen Formaten sehr unterschiedlich, sagte im Gespräch mit RT Deutsch der russische Turkologe und Kenner der Region Stanislaw Tarasow.
Die jetzige diplomatische Dramaturgie des türkischen Präsidenten ist verworren. Beim Vierer-Treffen steht zum Beispiel die Flüchtlingsfrage im Vordergrund. Es ist offensichtlich, dass Erdoğan versucht diese Situation mit der in Idlib zu verbinden, so der Experte.
Erdoğan sei in eine schwierige Situation geraten, denn er habe das Sotschi-Memorandum vom 18. September 2018 in seinen wichtigsten Punkten nicht erfüllt, vor allem die radikalen Islamisten von den "gemäßigten" zu trennen. Jetzt müsste er versichern, dass die Freilegung der wichtigen Verkehrsader M4 und M5 sichergestellt werden muss. Das Spiel, wonach Russland Türkei etwas schulde, beispielsweise die türkische Abnahme des russischen Gases, könne nicht aufgehen.
Moskau hat auf Bitten der Türkei die Fristen für die Trennung zwischen den gemäßigten und radikalen Islamisten verschoben. Dann hat Ankara angefangen die radikalen Kämpfer nach Libyen zu entsenden. In diesem Moment versucht Syrien die Kontrolle über diese Enklave wiederherzustellen, sagt Tarasow.
Er wollte sich beim syrischen Szenario in Libyen ein Beispiel an Moskau nehmen – sich mit der legalen Regierung verständigen, zunächst politisch, dann zu Fragen der Militärkooperation, nun wäre es aber zu spät. Der Plan sei nicht aufgegangen. Erdoğan verliere in Libyen und in Idlib, schätzt der langjährige Kenner des Kaukasus und Nahen Ostens.
In Syrien sei die Türkei mit dem Verstoß gegen das Sotschi-Memorandum, das auch ein UN-Dokument ist, wieder zu einem Aggressor-Staat geworden, denn einzig dieses Dokument legitimiere die türkische Präsenz in der syrischen Provinz. Auch der Plan sich die Unterstützung vonseiten NATO oder anderen westlichen Staaten zu sichern, funktioniere nicht. Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stelle sich der Libyen Politik des türkischen Präsidenten quer. Macron sagte bei einem NATO-Treffen, die Türkei unterstütze die radikalen Islamisten. Tarasow wies dabei auf die Entsendung des französischen Flugzeugträgers in den östlichen Mittelmeerraum hin. Dies wäre ein Schritt gegen die Verschiffung der Kämpfer von Idlib nach Libyen.
Diese Kämpfer könnten aber auch zum Problem für Erdoğan werden, durch Angriffe, beispielsweise wenn sie sich verraten fühlen. Dabei könnten alle arabischen Staaten seine Einmischung in gleich drei der eigenen Länder (Syrien, Irak und Libyen) nicht besonders gutheißen.
Syrische Einigung mit Kurden
Das Ende der Unterstützung der syrischen Kurden durch die USA ist für die Türkei derzeit am gefährlichsten, denn die Fragmentierung der Türkei könne dadurch in Gang gesetzt werden. Die Solidarität der USA mit der Türkei in Idlib-Frage könne das nicht wettmachen. Die USA hätten ihre Unterstützung der Kurden in dem Moment gekündigt, als die Kurden anfingen mit Assad zu verhandeln.
Für Damaskus ist die Kurdenfrage der Haupttrumpf im Spiel. Die USA haben Pläne über die Errichtung eines kurdischen Staates auf dem syrischen Territorium. Assad kann ihnen Autonomie versprechen. Aber Erdogan will mit Damaskus nicht reden. Die Kurdenfrage klären Moskau und Assad darüber nicht laut, sie handeln. Die USA sind laut, aber handelt wenig – das führte dazu, dass die Kurden jetzt mit Damaskus kooperieren, sagte Tarasow.
Auch für den Iran könnte die Einigung Damaskus mit den Kurden weitreichende Folgen haben. "Die Autonomie für Kurden in Syrien stellt automatisch die Frage nach der kurdischen Autonomie im Iran", sagte der Experte.
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