Trotz Ölreichtum setzen Golfstaaten auf Atomkraft

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate verfügen über immense Erdölvorkommen. In Zukunft soll der Energiebedarf über andere Quellen gedeckt werden, insbesondere Atomkraft. In beiden Ländern sollen die ersten Nuklearreaktoren noch in diesem Jahr ans Netz gehen.

Eigentlich sollte in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) bereits seit 2017 der erste selbst produzierte Atomstrom fließen. Doch Probleme beim Bau des ersten Reaktors der Barakah-Anlage und Sicherheitsbedenken haben das Eröffnungsdatum immer wieder nach hinten verschoben. Nun soll es aber in "wenigen Monaten" so weit sein, sagten zwei Vertreter des Energieministeriums in Abu Dhabi. Auch Sultan al-Dschaber, Vorsitzender der staatlichen Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), eines der größten Erdölproduzenten der Welt, bestätigte, dass der erste von vier Nuklearreaktoren noch in diesem Jahr betriebsbereit sein wird:

Um unser sauberes Energieportfolio zu komplementieren, werden wir in diesem Jahr 2020 das erste Land in der Region sein, das sichere, kommerzielle und friedliche Atomenergie liefert.

Die vier Reaktoren der Barakah-Anlage westlich von Abu Dhabi wurden von der südkoreanischen Korea Electric Power Corporation (KEPCO) gebaut. Ihr Design wurde den klimatischen Verhältnissen am Persischen Golf angepasst und soll einer Erdbebenstärke von mindestens 7.0 auf der Richterskala standhalten können. Die vier Reaktoren sollen nach Fertigstellung 5.600 Megawatt Strom produzieren, rund ein Viertel des Energiebedarfs der VAE. Bis zum Jahr 2050 soll laut dem Energieministerium der Anteil an "sauberer Energie" 50 Prozent betragen.

Da sich die Emirate dafür entschieden haben, den Kernbrennstoff für die Reaktoren zu importieren und nicht selbst herzustellen, hat die Regierung einem von KEPCO angeführten Konsortium den Auftrag im Wert von über zwanzig Milliarden US-Dollar erteilt, Barakah mit dem notwendigen Kernbrennstoff zu versorgen. Allerdings wurden noch keine Pläne gemacht, wo und wie die verbrauchten Kernstäbe gelagert werden sollen. Die Regierung habe "noch immer sehr viel Zeit" darüber nachzudenken, heißt es auf der Seite des Energieministeriums. 

Saudisches Atomprogramm

Auch Saudi-Arabien, das über die zweitgrößten Erdölreserven der Welt verfügt, setzt auf den Aufbau eines Atomprogramms, um sich von fossilen Brennstoffen unabhängiger zu machen. Allerdings verfolgt Riad ambitioniertere Pläne als der kleinere Nachbar VAE. Wie der Iran auch möchte das Königshaus am liebsten den gesamten Zyklus beherrschen, doch fehlt ihm dafür das notwendige Know-how. Der erste Reaktor, ein kleiner 30-Kilowatt-Reaktor für Forschungszwecke am Stadtrand der Hauptstadt, soll laut dem ehemaligen IAEA-Inspektor Robert Kelley in diesem Jahr fertiggestellt werden.

Doch die Pläne gehen noch weiter. Südkorea soll eine ganze Serie von kleineren sogenannten SMART-Reaktoren bauen. Russlands Rosatom und KEPCO erhielten Ausschreibungen, um ein Angebot für den Bau von großen Atomreaktoren zu unterbreiten. Obwohl bisher keine Bauvorhaben für die Urananreicherung oder Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen bekannt sind, wollte Riad auch nicht ausschließen, dass diese zu einem späteren Zeitpunkt gebaut werden.

Für Furore sorgte im vergangenen Jahr die Weigerung der US-Regierung, dem Kongress Rede und Antwort darüber zu stehen, welche Art von Nukleartechnologie Washington an Saudi-Arabien verkauft hat. Brad Sherman, ein Abgeordneter der Demokraten, sagte gegenüber US-Außenminister Mike Pompeo:

Wenn man einem Regime mit einer Knochensäge nicht trauen kann, sollte man ihm nicht mit Nuklearwaffen trauen.

Das für die Herstellung von Kernbrennstoffen benötigte Uran soll Angaben zufolge in der Provinz Al Hail abgebaut werden. Zusammen mit finnischen Experten sollen die Auswirkungen für die Umwelt untersucht und Pläne für die Produktion ausgearbeitet werden.