In Syrien wurde die turkmenische Minderheit lange Zeit als Fünfte Kolonne der Türkei betrachtet. Als der von außen entfachte Krieg ausbrach, bildeten sie Milizen und schlossen sich der sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA) an. Sie kämpften in den Bergen im Hinterland von Latakia, wo Russland einen Stützpunkt errichtet hatte. Als die Türkei im November 2015 einen russischen Kampfjet abschoss, waren es turkmenische "Rebellen", die den Piloten getötet haben.
Im Laufe der Zeit wurden sie zu immer wertvolleren Erfüllungsgehilfen der Türkei, die insbesondere in der Grenzregion zwischen Syrien und der Türkei aber oft ähnliche Grausamkeiten begingen wie zuvor die Kämpfer des IS. Sie kämpften Seite an Seite mit türkischen Truppen, als diese im Oktober 2019 in Syrien einmarschiert waren. Nachdem sich der Krieg allmählich seinem Ende nähert und es lediglich eine Frage der Zeit ist, bis die letzte von Dschihadisten gehaltene Bastion in der Provinz Idlib gefallen ist, hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein neues Betätigungsfeld für turkmenische "Rebellen" gefunden: Libyen.
Eigentlich wollte sich Erdoğan mit türkischen Truppen am durch die NATO 2011 entfachten Bürgerkrieg in Libyen beteiligen. Voraussichtlich am Donnerstag soll das Parlament über das kostspielige Unterfangen entscheiden, nachdem die libysche Regierung die Türkei offiziell um militärische Hilfe gebeten hat. Um seine Ambitionen aber nicht durch demokratische Unwägbarkeiten zu gefährden, setzt der türkische Präsident auch auf die wie Söldner agierenden Turkmenen aus Syrien. Sie sollen die von der UNO anerkannte, aber längst nicht von allen unterstützte Regierung von Ministerpräsident Fayiz as-Sarradsch in Tripolis gegen den befürchteten Ansturm des Generals Chalifa Haftar beschützen. Dieser genießt die Unterstützung Russlands, Frankreichs, Ägyptens, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate.
Zuvor hatte Ankara trotz eines UN-Waffenembargos die libysche Regierung mit Militärgütern versorgt, wie aus einem UN-Bericht hervorgeht, den die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte.
Obwohl Hassan al-Huni, Chefberater des Ministerpräsidenten in Tripolis, jegliche Aufnahme turkmenischer Kämpfer dementiert hatte, zeigen Bilder aus Libyen, dass sich ein erstes Kontingent bereits in dem ölreichen, aber gescheiterten Staat befindet. Sie sollen sich in der Nähe von Tripolis im Tekbali-Camp befinden, die sie von Truppen des Generals Haftar erobert haben wollen.
Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die von einem einzigen Mann (Osama Suleiman aka Rami Abdul Rahman) in Großbritannien betrieben wird, sollen in den vergangenen Wochen mindestens 1.600 turkmenische Kämper aus Syrien in türkischen Trainingscamps eingetroffen sein. Sie sollen einen Drei- oder Sechsmonatsvertrag unterschrieben haben und im Gegenzug einen Sold von 2.000 bis 2.500 US-Dollar pro Monat erhalten. Manche von ihnen nehmen es mit den Sicherheitsvorkehrungen nicht so ernst und machten Selfies vor einem A400M-Transportflugzeug, das vermutlich zur türkischen Luftwaffe gehört.
Auf jeden Fall flogen zwei türkische A400M-Transportflugzeuge am 29. Dezember 2019 vom Stützpunkt Erkilet in Kayseri nach Gaziantep, rund 60 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Was für eine Ladung sie dort genau aufgenommen haben, ist nicht bekannt. Die Vermutung liegt aber nahe, dass es turkmenische Kämpfer sind, die sich vor einer solchen Maschine abgelichtet haben und anschließend nach Libyen gebracht werden sollen.
*Ergänzung*: Das türkische Parlament stimmte am Donnerstag mit 325:184 Stimmen für die Pläne zur Entsendung von Truppen nach Libyen.
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