"Logistische Probleme" – Netanjahu unerwünscht bei NATO-Treffen in London

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kämpft nicht nur in seinem Land um das politische Überleben, nachdem die Staatsanwaltschaft offiziell Klage gegen ihn wegen Korruption erhoben hat. Auch im Ausland schließen sich langsam die Türen für ihn, wie gerade in London.

Benjamin Netanjahu hat zweifelsohne Geschichte geschrieben. Was man auch immer über seinen politischen Stil und seine Entscheidungen halten mag, hat er es geschafft, der längste amtierende Ministerpräsident in der Geschichte Israels zu sein. Obwohl die Gesellschaft unter seiner Führung gespaltener denn je wurde und immer weiter in einen religiösen Nationalismus abglitt, konnte er die Wählerinnen und Wähler trotzdem immer wieder davon überzeugen, ihn zu wählen. Auf Twitter erklärte er jetzt:

Bürger Israels – Ich bin stolz auf die Tatsache, dass ich Israel im letzten Jahrzehnt mit euch zusammen zu einer aufstrebenden Macht in der Welt geführt habe! In einer Umfrage, die heute in den USA mit 20.000 Befragten veröffentlicht wurde, wurde Israel als achte Supermacht der Welt eingestuft – eine großartige Leistung!

Das ist nicht das erste Mal, dass sich Netanjahu für einen führenden Staatsmann auf der Welt hält und den Anspruch erhebt, in den Genuss von Vorzugsbehandlungen zu kommen. Zuletzt konnte man das am 5. September beobachten, als der israelische Ministerpräsident zu einem Überraschungsbesuch nach Großbritannien aufbrach, ohne die britische Regierung im Vorfeld darüber informiert zu haben. Ministerpräsident Boris Johnson nahm sich damals die Zeit und traf sich für ein halbstündiges Gespräch mit seinem israelischen Amtskollegen.

Zum NATO-Treffen nach London, das am 3. und 4. Dezember stattfindet, wollte Benjamin Netanjahu offensichtlich erneut ohne Vorankündigung anreisen, wie israelische Medien berichten. Nun hat er aber den Besuch abgesagt, nachdem die britische Regierung angegeben hatte, "logistische Probleme" mit der spontanen Selbsteinladung des Ministerpräsidenten zu haben. Außer einem zugesagten Gespräch mit US-Außenminister Mike Pompeo hätten die engen Terminkalender der Staatschefs keine Möglichkeit zugelassen, sich auch noch mit Netanjahu zu treffen. Anfragen bei Emmanuel Macron und Angela Merkel wurden laut israelischen Regierungsangehörigen erst gar nicht beantwortet.

Die große Zeit des Benjamin Netanjahu scheint langsam aber sicher zu einem Ende zu kommen, wenn die Staatschefs nicht mehr bereit sind, dem israelischen Ministerpräsidenten eine Vorzugsbehandlung zu gewähren. Nun hofft er zumindest, dass das geplatzte Treffen mit Pompeo doch noch Ende dieser Woche in Lissabon stattfinden wird, wohin der US-Außenminister zum Abschluss seiner Europareise fliegen wird.

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