Wie schon zuvor in Frankreich, war es auch im Libanon eine Benzinsteuer, die die Massenproteste auslöste. Schon seit Wochen wächst der Unmut über den Würgegriff, in dem die USA die libanesische Wirtschaft halten, um die "Partei Gottes", die Hisbollah, finanziell auszubluten. Das libanesische Pfund verlor daraufhin massiv an Wert was wiederum den Druck vor allem auf die ärmeren Menschen erhöhte, die ohnehin mit den Auswirkungen des Krieges im benachbarten Syrien zu kämpfen haben. In dieser angespannten Lage brachte die neu eingeführte Benzinsteuer das Fass zum Überlaufen und löste eine Protestwelle aus, die durch das Abschalten des Messengerdienstes WhatsApp in einigen wichtigen Teilen Beiruts noch weiter angeheizt wurde.
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Die Proteste brachen am Donnerstag aus und brachten am Freitag schließlich das ganze Land zum Stillstand. Die Bewegung zeigt sich national vereint. Schiiten, Sunniten, Maroniten und andere religiöse Konfessionen laufen Seite an Seite und fordern ein Ende des Sektierertums im Libanon. Vor allem fordern sie ein Ende der Korruption, die sie der Regierung anlasten.
Die Armee stellte sich bereits früh auf die Seite der Protestbewegung und versprach, die Menschen vor möglichen Provokationen und Angriffen zu schützen. Damit sind insbesondere die verschiedenen Regierungsfraktionen gemeint, die ein Interesse daran haben könnten, die bisher vereinte Bewegung entlang politischer und religiöser Linien zu spalten. Insbesondere die Hisbollah und die Amal-Bewegung werden in diesem Zusammenhang genannt, die bei einem Sturz der Regierung und Neuwahlen am meisten zu verlieren hätten.
Prompt tauchten am Montagabend Videos in sozialen Netzwerken auf, die eine Gruppe von Motorradfahrern zeigt, die in Beirut Protestler angegriffen hat und schließlich von der Armee zurückgedrängt wurde. Es wurde umgehend der Vorwurf erhoben, dass es sich bei den Motorradfahrern um Mitglieder der beiden großen schiitischen Parteien gehandelt habe, was Hisbollah und Amal verneinten.
Hisbollahs Generalsekretär Hassan Nasrallah äußerte sich am Samstag in einer TV-Ansprache zu den Protesten und zeigte Verständnis für die Forderungen. Allerdings brächten Neuwahlen nichts, meinte er, weil so "nur Namen ausgetauscht" würden und "am Ende des Tages immer noch die gleichen Kräfte hinter ihnen stehen". Er rief die Kabinettsmitglieder und deren Parteien auf, so schnell wie möglich dringend notwendige Reformen auf den Weg zu bringen und sich den Forderungen der Protestbewegung zu stellen. Die Hisbollah habe nicht die Absicht, sich in diese Proteste einzumischen, aber wenn es keinen anderen Ausweg gebe, dann werde man es tun müssen:
Wenn wir die Entscheidung treffen, auf die Straßen zu gehen, wird das Land eine andere Richtung einschlagen. Wir sind eine große Partei, und unsere Bewegung ist nicht unwichtig. Hoffentlich wird diese Zeit nicht kommen.
Diese Aussage Nasrallahs wird im Libanon auf zwei Arten interpretiert. Die einen verstehen sie als Warnung, die anderen als Eingeständnis, dass selbst er die Basis der Hisbollah nicht lange daran wird hindern können, sich auf die Straßen zu begeben. Und sollte das geschehen, könnte es zu dem befürchteten Machtkampf zwischen Armee und Hisbollah kommen und die Wunden aus den Jahren des Bürgerkriegs erneut aufreißen. Die Konsequenzen eines solchen Machtkampfes sind nicht vorhersehbar, nur eines scheint dabei klar zu sein: Der Libanon wird davon nicht profitieren.
Um das zu verhindern, lenkte die Regierung am Montag ein und beschloss einige Reformen, mit denen Korruption und Wirtschaftskrise angegangen werden sollen. Auch eine Kürzung der Gehälter von Parlamentsabgeordneten um 50 Prozent wurde beschlossen. Ob das allerdings ausreicht, bleibt abzuwarten. Einigen Protestlern gehen diese Zugeständnisse nicht weit genug, sie fordern weiterhin den Sturz der Regierung.
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