von Karin Leukefeld, Damaskus
Erst vor zwei Wochen hatte die israelische Armee mit Kampfjets und Kampfdrohnen nahezu zeitgleich angebliche "iranische Ziele" im Irak, in Syrien und im Libanon angegriffen. Es gehört zum Markenzeichen Israels, dass es sich im Allgemeinen nicht zu seinen Angriffen erklärt, die israelischen Medien aber mit ganzen oder halben Wahrheiten füttert, die dann von westlichen Medien übernommen werden.
Nach dem Rundumschlag Ende August – bei dem innerhalb von 48 Stunden Stützpunkte und Munitionslager der irakischen Volksmobilisierungseinheiten in Flammen aufgingen, deren Soldaten getötet wurden und bei Damaskus zwei Angehörige der Hisbollah bei einem Luftangriff starben - antwortete Netanjahu auf Fragen von Journalisten während einer Auslandsreise mit einem Satz aus dem Talmud:
Wenn jemand kommt, um Dich zu töten, erhebe Dich und töte zuerst.
Der israelische Geheimdienst Mossad hat den Satz zum Motto seiner gezielten Morde weltweit erhoben. Für den Iran gäbe es "keine Immunität … nirgends", sagte Netanjahu. Israel werde handeln, "und wir handeln jetzt gegen ihn, wo immer es notwendig ist."
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Daher dürften die Angriffe, die am Montag in den frühen Morgenstunden irakische Truppen am Grenzübergang Al Bukamal an der syrisch-irakischen Grenze trafen, auch auf das Konto Israels gehen. Unbestätigten Berichten zufolge sollen dabei mindestens 19 Angehörige der irakischen Streitkräfte und der libanesischen Hisbollah getötet worden sein.
Unklar ist auch, ob der Angriff mit Raketen von Kampfjets ausgeführt wurde, – wie die Deutsche Presseagentur unter Berufung auf die in Großbritannien angesiedelte "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" berichtete, – oder ob es ein Angriff bewaffneter Drohnen war. Medienberichte legen nah, dass es sich um eine "iranische Basis" gehandelt habe. Was wiederum den Schluss zulässt, dass Israel den Angriff ausgeführt hat.
Weder der Irak noch die Hisbollah haben sich zu dem Vorfall geäußert. Der libanesische Nachrichtensender Al Mayadeen zitierte einen namentlich nicht genannten syrischen Beamten mit den Worten, Ziel des Angriffs sei eine im Bau befindliche Militärbasis gewesen.
Angriffsziel: Befahrbare Landroute zwischen Syrien und Irak verhindern
Bekannt ist, dass der syrisch-irakische Grenzübergang Al Bukamal-Al Qaim in dieser Woche offiziell wieder geöffnet werden sollte. Die letzten Kämpfer des "Islamischen Staates" (IS) wurden Anfang des Jahres von dort vertrieben. Die Menschen diesseits und jenseits der Grenze warten seit langem, dass der normale Personen- und Warenverkehr zwischen beiden Ländern und darüber hinaus wieder aufgenommen werden kann.
Der Grenzübergang im Nordosten Syriens, bei Rabia wird von den US-Streitkräften und den mit ihnen verbündeten syrischen Kurden kontrolliert. Der Grenzübergang im Süden des Landes, im irakisch-syrisch-jordanischen Dreiländereck bei Al Walid/Al Tanf wird von der völkerrechtlich illegal errichteten US-Militärbasis (Al Tanf) und 50 Kilometer weiten Pufferzone blockiert, die von den USA mit Feuereinsatz durchgesetzt wird.
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Der Grenzübergang Al Bukamal liegt am Euphrat unweit der irakischen Stadt Al Qaim auf der internationalen Route Aleppo-Bagdad. Die Öffnung der Grenze ist wichtig, weil damit eine der drei großen Landrouten zwischen Syrien und Irak und damit auch für die gesamte Region wieder befahrbar wäre. Der Angriff am Montagmorgen signalisiert, dass Israel und sein großer Partner, die USA, das verhindern wollen.
Über das in den USA angesiedelte Internetportal "Live Universal Awareness Map", das über militärische und politische Entwicklungen in Syrien, der Ukraine und anderen Kriegs- und Krisengebieten informiert, wurden im Laufe des Montags Satellitenaufnahmen verbreitet, die eine angebliche iranische Militärbasis vor und nach der Zerstörung zeigen sollen. Angeblich seien mindestens acht Lagerhäuser zerstört worden. Aus den Bildern ist weder zu entnehmen, um was für Gebäude es sich handelt, geschweige denn, ob es eine "iranische Militärbasis" ist. Grenzübergänge haben für gewöhnlich Polizei- oder Militäranlagen.
Die Angaben stammen von Image Satellite International (ISI) aus Israel und wurden am 3. September über Fox-News verbreitet. Das Muster ist aus den letzten Jahren in Syrien bekannt. Wann immer über den israelischen Satellitendienst ISI angebliche iranische Militärbasen oder syrische Chemiewaffenfabriken bekannt gemacht wurden, wurden die Einrichtungen wenig später von Israel bombardiert. Internationale Untersuchungen, die die israelischen Angaben verifizieren könnten, gibt es nicht. Die betroffenen Länder werden nicht um Aufklärung gebeten. Mit den Angriffen zerstört Israel alle Beweise, die das Gegenteil der israelischen Beschuldigungen belegen könnten.
Die US-Regierung hat wiederholt erklärt, mit eigenen Truppen in Syrien zu bleiben, um den Iran zurückzudrängen. Das entspricht den Anforderungen Israels, das nicht müde wird, eine scheinbar ewige Gefahr aus dem Iran zu behaupten und damit sein militärisches Vorgehen in Syrien, Libanon und im Irak zu begründen.
In dem Zusammenhang müssen in Deutschland auch die Bundeswehreinsätze in Jordanien und im Irak gesehen werden, für die es kein eindeutiges völkerrechtliches Mandat gibt. Die Bundesregierung will zwar den Dialog mit dem Iran, ordnet sich aber in der US-geführten internationalen Allianz den Plänen Washingtons unter und bezeichnet zudem die Sicherheit Israels als "Staatsräson". Laut Duden ist das ein "Grundsatz, nach dem der Staat einen Anspruch darauf hat, seine Interessen unter Umständen auch unter Verletzung der Rechte des Einzelnen durchzusetzen, wenn dies im Sinne des Staatswohls für unbedingt notwendig erachtet wird".
Die Rückkehr der syrischen Armee in den Nordosten des Landes, wo sich die die wichtigen syrischen Ressourcen wie Öl, Gas, Baumwolle und Weizen befinden, soll von der US-geführten internationalen Allianz ebenso verhindert werden, wie die unabhängige syrisch-irakische Kontrolle der eigenen Grenzen. Das bedeutet auch, dass die Öffnung der drei wichtigen Landwege zwischen Syrien und dem Irak verhindert werden soll, wenn nötig mit Waffengewalt. Die US-Administration hat es angekündigt, Israel führt den Hammerschlag aus.
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Israel und seine Partner in den USA, in Europa und den Golfstaaten wollen verhindern, dass die militärische Zusammenarbeit der regional benachbarten Staaten Libanon (Hisbollah), Syrien, Irak und Iran gefestigt werden kann. Doch ob es Israel gefällt oder nicht, als souveräne Staaten haben die Genannten jedes Recht, ihre militärischen Partner selber zu wählen.
Am 17. September wird in Israel gewählt und der amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betreibt – wie auch andere Amtsvorgänger zuvor – einen Wahlkampf mit dem Krieg. Gegenüber den israelischen Wählern behauptet er eine angebliche "iranische Gefahr". Früher war es die iranische Atombombe, jetzt der Iran in Syrien. Um diese angebliche Gefahr zu zerstören, wird – offiziell oder im Schattenkrieg – angegriffen. So will Netanjahu seine Fähigkeit beweisen, Israel vor einer drohenden Vernichtung zu retten, und dafür will er als starker Mann wiedergewählt zu werden.
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