F-35, Gülen und Handelsdruck: USA versuchen Türkei mit allen Mitteln vom S-400-Deal abzubringen

Der US-General für Europa hat gefordert, dass die USA der Türkei die modernen Kampfjets F-35 nicht verkaufen, sollte Ankara am Kauf des russischen S-400-Systems festhalten. Unterdessen erhöhen die USA den Druck, indem sie die Wirtschafts- und Gülen-"Karte" spielen.

"Mein bester militärischer Ratschlag wäre, wir führen das nicht weiter mit den F-35, wir arbeiten dazu nicht weiter mit einem Verbündeten zusammen, der mit russischen Systemen arbeitet, insbesondere mit diesem Luftverteidigungssystem, einem System mit den wahrscheinlich fortschrittlichsten technologischen Fähigkeiten", sagte Curtis Scaparotti, der Vorsitzende der US-Streitkräfte in Europa, während einer Anhörung des Senatsausschusses für Streitkräfte. Scaparrotti ist zeitgleich "Supreme Allied Commander Europe" (SACEUR), also der oberste NATO-Kommandeur für Europa, traditionell ein US-Militär.

"Der Erwerb des russischen Luftverteidigungssystems S-400 durch die Türkei wird schwerwiegende Folgen für die US-Verteidigungsbeziehung zur Türkei haben", kommentierte der Pentagon-Sprecher Eric Pahon zuvor am Montag gegenüber dem Nachrichtenportal Ahval.

Auch das US-Außenministerium unterstrich, Washington würde der Türkei klarmachen, dass - wenn sie den Kauf von S-400-Systemen vorantrieben - die Vereinigten Staaten die Teilnahme Ankaras am F-35-Kampfjetprogramm neu bewerten müssen. Außenministeriumssprecher Robert Palladino teilte mit:

Wir haben die Türkei deutlich gewarnt, dass ihr potenzieller Erwerb des (russischen) S-400 (Luftverteidigungssystems) zu einer Neubewertung der Teilnahme der Türkei am F-35-Programm führen wird und andere potenzielle zukünftige Waffenlieferungen in die Türkei gefährdet.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan wies die US-Drohungen kategorisch zurück. Wiederholt gab das Staatsoberhaupt an, dass Ankara sich zum Kauf des russischen Systems fest verpflichtet hat, trotz der Behauptungen des von den USA geführten Bündnisses, dass das S-400-System nicht in das NATO-Luftverteidigungssystem integriert werden könne.

"Wir haben das S-400-Abkommen mit Russland abgeschlossen, so dass es nicht in Frage kommt, einen Schritt zurückzutreten. Die Arbeit ist erledigt. Wenn es um die Patriot-Systeme geht, sind wir bereit, sie zu kaufen. Dieser Kauf muss jedoch den Interessen unseres Landes dienen", betonte Erdoğan im Februar.

Im August 2018 genehmigte die Trump-Administration ein Gesetz zum  Verteidigungshaushalt, das die Lieferung von F-35-Jets an die Türkei verzögert. Zwei Monate später hieß es in einem Pentagon-Report, dass die Türkei mit einem Ausschluss aus dem F-35-Programm konfrontiert werden könnte, wenn sie mit dem kritisierten Kauf fortfährt.

Der Vertrag zwischen Ankara und Moskau über die S-400 wurde im Dezember 2017 unterzeichnet, als beide Parteien ein Abkommen über rund 2,5 Milliarden US-Dollar für zwei Batterien dieser Systeme unterzeichneten. Die Türkei kritisierte, dass westliche NATO-Verbündete ihre Luftabwehrtechnologien in der Vergangenheit nicht teilen wollten und erst mit Angeboten reagieren, seitdem klar ist, dass Ankara eine Kaufoption in Russland genießt. Das S-400-System gilt als Russlands fortschrittlichstes Langstrecken-Flugabwehrraketensystem. Die Türkei wird das erste NATO-Mitgliedsland sein, welches dieses System in sein militärisches Inventar integrieren kann.

Die Türkei ist seit 1999 am F-35-Programm beteiligt, und die türkische Verteidigungsindustrie hat eine aktive Rolle bei der Herstellung von Flugzeugen übernommen und bereits 1,25 Milliarden US-Dollar in die Entwicklung des Flugzeugs investiert. Das Land plant, in den kommenden Jahren 100 Kampfflugzeuge vom Typ F-35 zu erwerben. Von den 100 Flugzeugen wurden bereits 30 genehmigt. Das Land erhielt seinen ersten F-35-Kampfjet bei einer Zeremonie in Fort Worth, Texas, am 21. Juni 2018. Bis März 2019 sollten zwei weitere F-35 ausgeliefert werden.

USA erhöhen den Druck zu Handelsfragen und Gülen-Anhängern

Das Büro des US-Handelsbeauftragten erklärte am Dienstag, dass die USA den Sonderstatus der Türkei in Handelsfragen beenden werden. Diese Entscheidung wird wahrscheinlich in der Türkei als Maßnahme gewertet werden, den Druck auf die türkische Regierung in der Russland-Frage zu erhöhen. Die türkische Handelsministerin Ruhsar Pekcan bedauerte die Entscheidung. In einer Erklärung beanstandet sie:

Dieser Entschluss wird sich gleichzeitig auch negativ auf die kleinen und mittleren Unternehmen und die Produzenten der USA auswirken.

Laut einem Bericht im Handelsblatt kämpft die Türkei seit langem mit einer hohen Teuerungsrate, was angesichts von anstehenden Wahlen Erdoğan angreifbar macht. Die Inflation war zwar im Februar wieder unter 20 Prozent gesunken, sie bleibt aber auf einem hohen Niveau.

Unterdessen habe die First Lady der USA, Melania Trump, laut der populären türkischen Tageszeitung Sabah am Dienstag eine Schule besucht, die von der Gülen-Bewegung in Tulsa, Bundesstaat Oklahoma, betrieben wird. Die Türkei beschuldigt den Führer der Bewegung, Fethullah Gülen, der im US-amerikanischen Exil lebt, den vereitelten Militärputsch gegen die Regierung von Präsident Erdoğan 2016 orchestriert zu haben. Was den Besuch der First Lady besonders pikant macht: Seit dem Putschversuch gilt die Gülen-Bewegung als "Staatsfeind Nummer eins" in der Türkei.

Während die Verwaltung der Schule leugnet, dass sie Verbindungen zu Gülen unterhält, sollen die finanziellen Beziehungen zwischen der Schule und anderen Gülen-Einrichtungen Fragen aufwerfen, behauptet Sabah.

In einem Roundtable-Interview mit der Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch sagte der türkische Innenminister Süleyman Soylu, dass allein das Charter-Schulnetz der Gülen-Bewegung jährlich rund 800 Millionen US-Dollar einbringen soll.

Zehntausende von Menschen wurden seit 2016 wegen vermuteter Verbindungen zur Gülen-Bewegung verhaftet. Trotz der Kritik von westlichen Staaten über das Ausmaß der Verhaftungen gehen die Polizeieinsätze bis heute mit Nachdruck weiter. Türkische Beamte bestehen darauf, dass die Verhaftungen notwendig sind, um das "Virus" zu beseitigen, das durch die Infiltrationen der Gülen-Bewegung in die türkischen Staatsorgane verursacht wurde.