von Ali Özkök
RT Deutsch hat mit dem Nahost-Analysten des Arab Center Washington (ACW), Joe Macaron, gesprochen. Seine Fokusgebiete sind politische Strategien der USA und Konfliktanalysen zum Nahen Osten. Zuvor war er als Analyst beim Combating Terrorism Center (Zentrum zur Bekämpfung von Terrorismus) in West Point tätig, das unter anderem mit der Kriegshochschule der US-Armee kooperiert.
RT Deutsch: Das Pentagon und das Außenministerium widersprechen einander, wenn es um den Abzug von US-Truppen geht. Wie lässt sich das erklären, und welche Auswirkungen hat das US-Verhalten auf andere Akteure in Syrien?
Joe Macaron: Die abrupte Entscheidung Trumps und die mangelnde Klarheit des Weißen Hauses haben die Politik und die Regierung der USA in UNOrdnung gebracht, wenn es um Syrien geht. Die Festlegung einer Frist für den militärischen Abzug, die auf den April fällt, verstärkt die politischen Differenzen innerhalb der Verwaltung und dem Kongress. Sie erhöht aber auch den Druck auf die "Demokratischen Kräften Syriens", kurz SDF, und die Türkei, sich entweder anzugreifen, einen Deal zu schließen oder einen neuen Rückzugsplan zu akzeptieren.
Angesichts der dynamischen Situation in Syrien und der Unklarheit des Rückzugs der USA versuchen wiederum alle Beteiligten alle Optionen solange wie nur möglich am Verhandlungstisch zu behalten.
RT Deutsch: Ankara hält am 31. März Wahlen ab. Die USA wollen sich im April zurückziehen. Einige Analysten vermuten, dass das ein guter Zeitpunkt für die Türkei wäre, ihre lange gewünschte Sicherheitszone durchzusetzen. Wie sehen Sie die Verbindungen?
Joe Macaron: Es besteht kein Zusammenhang zwischen der logistischen Entscheidung der USA, sich zurückzuziehen, und den türkischen Wahlen, auch wenn Erdoğan versucht sein könnte, dieses Thema zu nutzen, um seine Basis zu stärken. Die derzeitigen Gespräche über die Einrichtung einer Sicherheitszone sind nach wie vor sinnlos, es sei denn, die Türkei und die SDF einigen sich oder die USA bleiben in Syrien, beide Szenarien bleiben unwahrscheinlich.
RT Deutsch: Ilham Ahmed, eine politische Führerin der YPG-kontrollierten Gebiete Ostsyriens, war in den USA. Es wird auch gesagt, dass sie Trump getroffen haben soll. Hat sie Ihrer Meinung nach ein klares Schutzversprechen aus den USA erhalten?
Joe Macaron: Ahmed hörte während ihrer Reise gemischte Botschaften. Um genau zu sein, sie hat Washington mit neuen Fragezeichen bezüglich der Zukunft der US-Politik in Syrien verlassen. Die Trump-Regierung scheint grundsätzlich allerdings an ihrer langjährigen Politik der Koordinierung mit den "Demokratischen Kräften Syriens" unter Einbeziehung der Türkei festzuhalten. Das ist ein Balanceakt, der schwer aufrechtzuerhalten ist, wenn sich die USA aus Syrien zurückziehen.
RT Deutsch: Ankara macht in Manbidsch kaum Fortschritte. Wie verändert sich das Verhältnis der Türkei zu Russland angesichts des anstehenden US-Rückzugs in Syrien?
Joe Macaron: Zuletzt gab der türkische Präsident die Beziehungen zum syrischen Staat und zum Geheimdienst zu. Sowohl die Türkei als auch die SDF eröffnen somit Kanäle nach Damaskus, was die Vermutung verstärkt, dass der Rückzug der USA im Grunde die Handlungsoptionen der syrischen Regierung stärkt. Russland will nicht, dass die Türkei das Vakuum in Manbidsch ausfüllt, während die USA weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Luftüberlegenheit zum Schutz ihrer Interessen in Manbidsch und Nordsyrien zu nutzen. Ein bevorstehender Rückzug der USA aus Syrien könnte die russisch-türkische Konkurrenz in Syrien verstärken, anstatt ihre Zusammenarbeit zu verstärken.
Vielen Dank für das Gespräch!
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