von Ali Özkök
RT Deutsch hat mit Ragıp Soylu gesprochen. Er ist jahrelanger Journalist und Washington-Korrespondent der türkischen Tageszeitung Sabah gewesen. Soylu gilt als Experte für türkisch-US-amerikanische Beziehungen.
Es gibt Gerüchte, dass einige US-Beamte Prinz Ahmad nach der Ermordung von Khashoggi als neuen König von Saudi-Arabien unterstützen würden. Das bedeutet, dass Kronprinz Mohammed bin Salman zunehmend in Verruf gerät. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Alles ist möglich, aber Trumps jüngste Aussage machte es offensichtlich, dass der US-Präsident eine solche Änderung nicht unterstützt. Ganz klar, Mohammed bin Salman hat seine Glaubwürdigkeit verloren, die er einst beim Washingtoner Establishments innehatte. Man wird um ihn besorgt sein. Aber am Ende des Tages gibt es schließlich einen Präsidenten in den USA, der zu ihm steht.
Trump hat die Aussage des CIA zurückgewiesen, dass Kronprinz Mohammed bin Salman das Attentat auf Khashoggi als zu hastig anführte. Warum steht der US-Präsident so fest hinter dem Kronprinzen?
Es gibt mehrere Faktoren, die eine Rolle spielen. In erster Linie steht da die Anti-Iran-Allianz von Mohammed bin Salman mit der Trump-Administration im Fokus, sowie die durch Trumps Schwiegersohn, Jared Kushner, geführte saudische Unterstützung des palästinensisch-israelischen Friedensprozesses. Im Rahmen der anti-Iran-Stimmung kann Mohammed bin Salman die saudische Ölförderung ausbauen, um den durch die Sanktionen gegen den Iran verursachten Mangel auszugleichen. Außerdem hilft er Washington, gegen den iranischen Einfluss in Syrien, Irak und dem Jemen vorzugehen. Natürlich hat Trump das gute Geschäft weiterer Käufe US-amerikanischer Waffen durch die Saudis im Kopf, die er seinen Unterstützern als Erfolg präsentieren kann.
Khashoggi wird meist als Journalist bezeichnet, doch er war auch in anderen Rollen tätig. Wie entscheidend waren seine guten Beziehungen zu einigen der saudischen Machteliten bei seiner Ermordung?
Definitiv war er früher ein Mitglied des saudischen Königskreises, jemand, den man als Insider betrachten kann. Doch wir sollten nicht vergessen, dass er vor vielen Jahren Medienberater für den ehemaligen Geheimdienstchef war. Das ist gewissermaßen auch eine bizarre Position für einen langjährigen Journalisten. Ich denke, dass er nicht nur wegen seiner kritischen Schriften ins Visier genommen wurde, sondern auch wegen seines Einflusses innerhalb der Washingtoner Elite, wenn es darum ging, ihre Meinung über Mohammed bin Salman zu bilden.
Der saudische Außenminister al-Dschubair hat in einem Interview erklärt, dass die Infragestellung der saudischen Machtelite nach der Ermordung von Khashoggi eine rote Linie wäre. Welche Mittel hat die saudische Elite, um ihre Interessen durchzusetzen?
Was er meinte, war wohl das Haus von Saud. Offensichtlich gibt es eine Nachfolgelinie, und es ist schwer, das zu ändern. Verliert Mohammed bin Salman seine Position als Kronprinz, wird das der ganzen Familie ein Signal geben, dass - mit internationaler Unterstützung - die starke Kritik oder Ablehnung des saudischen Kronprinzen zu innenpolitischen Ergebnissen führen könnte. Das ist etwas, was sie meiner Meinung nach nicht sehen wollen. Weil es einen Präzedenzfall schaffen kann.
Sie sind seit Jahren Korrespondent für türkische Medien in den USA. Inwieweit denken Sie, dass die USA oder der Westen, bei Ereignissen in Saudi-Arabien im Vergleich zur Türkei, generell selektiv und mit zweierlei Maß messen? Was ist der Grund dafür?
Der Hauptunterschied dieser Doppelmoral ist eigentlich ein positiver. Die Türkei ist im Wesentlichen ein westliches Land, mit Mitgliedschaft in der NATO und im Europäischen Rat. Die Türkei verhandelt noch immer über einen EU-Beitritt. Solche Dinge sind wirklich wichtig, wenn es um die Behandlung von Menschenrechtsfragen oder grundlegenden Freiheiten geht. Natürlich hat die saudische Finanzierung vieler Think Tanks in Washington und verschiedener Organisationen auf der ganzen Welt sie vor einem Großteil der Kritik geschützt. Fakt ist, dass auf eine lange Zeit akzeptiert wurde, dass Saudi-Arabien ein islamisches und autoritäres Königreich ist.
Es gibt Gerüchte, dass die Trump-Regierung die Freilassung von Fethullah Gülen in Betracht zieht, um die Türkei wegen Khashoggi zu beruhigen. Wie bewerten Sie solche Berichte, und wie reagiert die türkische Regierung auf diesen Schritt?
Ja, es ist möglich, dass die Trump-Administration über die Auslieferung von Gülen nachgedacht hat, um den türkischen Druck auf die Saudis im Zusammenhang mit dem Mord an Khashoggi zu verringern. Aber sowohl türkische als auch US-amerikanische Quellen leugneten, dass es jemals zu direkten Verhandlungen gekommen sei. Meines Wissens nach haben die Saudis auch mehrere Ideen für eine Beilegung des Konflikts entwickelt. Die Türkei hat sie schlichtweg abgelehnt.
Neben Saudi-Arabien ist die Türkei die führende sunnitische Regionalmacht im Mittleren Osten. Besteht die Befürchtung, dass der Fall Khashoggi zu neuen Spannungen führen könnte, zum Beispiel in Katar, Ostafrika oder Syrien?
Die Türkei hat ein angespanntes Verhältnis zu Saudi-Arabien, seit Riad den Staatsstreich in Ägypten unterstützt hat. Aber die Beziehungen sind nach der Katar-Krise noch angespannter geworden. Der Mord an Khashoggi hat die Beziehungen endgültig belastet. Diese Entwicklung könnte Saudi-Arabien in letzter Instanz schließlich doch dazu zwingen, seine Beziehungen zu seinem Nachbarn wie Katar zu überdenken. Die rücksichtslose Politik von Mohammed bin Salman führt eher zu neuem Chaos in der Region, als zu Ordnung. Khashoggi könnte das aktuelle Opfer sein. Aber wer weiß?
Vielen Dank für das Gespräch!